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Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)

Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)

Titel: Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)
Autoren: Uli Burchardt
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anderen schalten könnten. Sowohl gute Qualität als auch ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, dafür scheinen wir den Sinn verloren zu haben. Und unser Kaufverhalten zwischen extremer Anspruchshaltung und extremer Sparhaltung ist deswegen ziemlich schizophren.
    Nur deshalb, nur wegen dieser merkwürdigen Haltung der Konsumenten sind die Imperien der deutschen Discounter erklärbar, nur deshalb tobt der Preiskampf in den deutschen Geschäften: weil die Deutschen flächendeckend zum übertriebenen Geiz fähig sind. Das muss man sich mal klarmachen: Eine der wohlhabendsten Gesellschaften der Welt – und wir finden Geiz geil. Wie konnte es dazu nur kommen?
    Propagandafeldzüge

    Wenn Supermarktketten die Menschen in Scharen in die Verkaufsräume locken wollen, dann schalten sie sogenannte »Schweinebauchanzeigen«. In denen wird nicht unbedingt Schweinebauch angepriesen, sondern eher Mineralwasser, Bier, Wurstaufschnitt oder Milchprodukte oder eben Fotokameras, Gummistiefel oder Bohrmaschinen, aber die abfotografierte, fettig-glänzende Scheibe Schweinebauch mit einem dicken fetten Preis oben drüber ist der Prototyp der absatzorientierten Printwerbung. Den Werbern geht es dabei überhaupt nicht um Ästhetik, um Wert oder um die Inszenierung eines schönen oder schmackhaften oder praktikablen Produkts, sondern alleine um die Information »Tiefstpreis-Sonderangebot-Jetzt!«. Das Produkt selbst muss dabei lediglich wiedererkennbar sein. Die dominante Angabe des Preises sorgt für Vertrauen: »Die schreiben sogar den Preis hin! Das muss ja echt billig sein!«, und laut wissenschaftlichen Untersuchungen sorgt diese Sorte Werbung nachweisbar für einen starken, unmittelbaren Kaufimpuls. Zwar werden diese Anzeigen nicht als sympathisch empfunden und sie zahlen auch nicht auf die Marke des Händlers oder des Herstellers ein. Aber sie sorgen für Absatz.
    Das Gegenmodell ist die Imagewerbung, wo Produkte aufwändig inszeniert, schön fotografiert, stimmungsvoll ins rechte Licht gerückt und mit eleganter Text-Bild-Integration erklärt und beschrieben werden. Diese Sorte Werbung ist langfristiger orientiert, hier geht es um den Aufbau von Wertschätzung, Sympathie, Produktwissen und Bekanntheit – allerdings beeinflussen sie den unmittelbaren, zeitnahen Absatz viel weniger.
    So, und jetzt schauen Sie sich mal den Werbeteil der Regionalzeitungen und Wochenblätter an. Aldi zum Beispiel ist mit Werbeausgaben von fast 400 Millionen Euro im Jahr 2010 einer der größten Werbekunden in Deutschland. 4 Für viele Zeitungen ginge ohne die wöchentlich wiederkehrende Werbung der Discounter sofort das Licht aus. Außerdem werden wir beinahe täglich zugeschüttet mit den Zeitungsbeilegern und Werbeprospekten der anderen Supermarktketten. Sehen Sie darin irgendwo Imagewerbung? Sehen Sie darin irgendwo eine Kommunikation von
Werten
?
    Die Einzelhandelsketten setzen mit unglaublichem Schweinebauch-Werbeaufwand kurzfristig unglaubliche Stückzahlen ab und erzielen damit unglaubliche Umsätze. Und das seit Jahrzehnten jeden Tag aufs Neue.
    Der Handel, so wie er strukturiert ist, braucht das. Die Ketten brauchen jede Woche einen neuen Preishammer, damit die Leute loslaufen und in den Laden kommen. Würden sie damit aufhören, würden innerhalb von wenigen Tagen ihre Umsätze dramatisch einbrechen. Also muss jede Woche eine neue Sau durchs Dorf getrieben werden – wir werden sozusagen bombardiert mit Handelswerbung, um als Kunde überhaupt aktiviert zu werden. Was passiert auf Dauer? Natürlich, wir stumpfen ab. Die Reizschwelle wird immer höher, die Werbung wird immer aggressiver, die Preishämmer immer massiver.
    Eine Grenze überschritten hat die Werbung dann durch die Werbekampagne der zum Metro-Konzern gehörenden Media-Saturn-Gruppe ab dem Jahr 2002. Die Werbung hatte einen im wahrsten Wortsinne derart durchschlagenden Erfolg, dass sie auch heute noch jeder kennt: »Geiz ist geil!« Diese Kampagne markiert eine neue Untergrenze der Hemmschwelle der Händler. Sie zeigte, dass die großen Handelsketten für ein Umsatzplus zu allem bereit sind. Zu allem! Auch zum Durchschlagen unserer Wertebasis.
    Geiz ist definitiv keine Tugend, sondern eine Sünde, sie gehört sogar zu den sieben Hauptsünden des Christentums. Und das nicht ohne Grund: Geiz ist Ausdruck von Egozentrik, Gier und Rücksichtslosigkeit.
    Genau das sind Eigenschaften, unter denen unsere Gesellschaft leidet – darüber herrscht allgemeiner Konsens: Egozentrische Politiker,
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