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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman
Autoren: PeP eBooks
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er an ihrem Sterbebett gestanden war und Gudrun damals das Mattoni-Wasser, in das sie einige Tropfen ihres Parfüms gemischt hatte, mit spitzen Lippen überall im Zimmer versprüht hatte, um den Geruch des Todes zu vertreiben. Würde Joachim an sein Sterbebett kommen? Die Vorstellung kam ihm kitschig vor– Vater und Sohn vergeben einander im Angesicht des Todes: Musik rauscht auf, der Vorhang fällt, das Gute hat gesiegt! Er mußte lachen. Gleichwohl wurden seine Augen feucht, und er tat, als kämen die Tränen, die er verstohlen wegwischte, von der aufstoßenden Kohlensäure. » Du könntest Lassally um Vermittlung bitten, Maria, ich habe gehört, er soll in der Stadt sein.«

Manhattan – Dienstag, 10 a.m.
    Maria stieg auf der gegenüberliegenden Straßenseite aus dem Taxi und suchte an der verspiegelten Fassade des Crain Towers nach dem Firmenlogo von Gulliver Records. Dann erst überquerte sie die Lexington Avenue und stemmte sich durch eine portalhohe Drehtür ins Innere einer zweigeschossigen Empfangshalle, die eine klimatisierte Parallelwelt barg, in der Ziersträucher gediehen und Vögel in dicht belaubten Bäumen sangen.
    Im Entree des Schallplattenkonzerns hingen LPs aus Gold und Platin hinter Glas, und an den Wänden der Korridore, durch die sie eine Sekretärin führte, die Originale unzähliger Plattencover, die unter diesem Label seit den Sechzigern erschienen waren. Vom Konferenzraum im vierundsechzigsten Stockwerk konnte sie durch eine bodentiefe Panoramascheibe in die Straßenschluchten hinunterblicken und fühlte ein Kribbeln unter ihren Fußsohlen. Für Augenblicke verspürte sie ein Schwindelgefühl, als schwankte der Wolkenkratzer im Wind. Aber das konnte auch vom Jetlag kommen.
    Während sie wartete, betrachtete sie die lebensgroßen Fotografien internationaler Musikstars– Solisten, Sänger, Dirigenten–, die für Lassallys Schallplattenfirma einmal gearbeitet hatten. Alle, die als Dirigenten im klassischen Repertoire Rang und Namen hatten, waren hier in sorgfältig ausgeleuchteten Posen versammelt, Gesichter und Hände wie auf Heiligenbildern, mit verklärten Blicken, bis auf einen– Herzog fehlte.
    » Sein Konterfei habe ich in die Besenkammer hängen lassen!« Mit ausgebreiteten Armen kam Lassally auf sie zu. Sein Gesicht strahlte vor Wiedersehensfreude. Er war ein schwerer Mann, ein Hüne mit Händen, die ebenso ein Telefonbuch zerreißen wie eine Chopin-Etüde spielen konnten. Seine Stirn unter der dichten Haarbürste war breit wie die eines Wasserbüffels, und unter der fleischigen Nase wuchs ein akkurat gestutzter Schnurrbart.
    » Wie schön du bist, Maria, schöner, als ich dich in Erinnerung hatte!«
    Maria wich einen Schritt zurück, um seine stürmische Umarmung ein wenig abzufangen, und küßte ihn auf beide Wangen, hingehaucht, wie es in Frankreich üblich war. Er aber faßte ihre Schultern und drückte ihr einen herzhaften Kuß direkt auf den Mund.
    Nach einer Schrecksekunde lachte Maria auf. » Ach, Victor, du hast dich nicht verändert!« Sie holte ein Taschentuch aus der Tasche und wischte ihm ihren Lippenstift vom Mund. » Ich liebe ältere Männer. Sie können so herrliche Gauner sein, weil sie nichts zu verlieren haben.«
    Lassally ließ sich auf ein Ledersofa fallen und klatschte einladend auf das Sitzpolster daneben, das von seinem Gewicht hochgefedert war. » Komm, setz dich und erzähl, wie war der Flug?«
    » Stressig, weil Herzog wieder den Lindbergh spielte und keinen an den Steuerknüppel ließ. Dabei ist er so am Ende, daß ich mir allmählich Sorgen mache.«
    » Bruckner aus dem Weltraum. Manchmal denke ich, er hat nicht mehr alle Tassen im Schrank.« Seine Stimme klang, als hätte er Mitleid mit dem ehemaligen Freund und Weggefährten, der ihn gnadenlos ausgebootet hatte, als er sich hinter seinem Rücken für Krausnik und die Japaner entschied.
    » Auch ich hab das Gefühl, in seinem Schrank fehlen wieder mal ein paar. Krausnik hat ihn für diese Schnapsidee geködert, getarnt als generöses Geburtstagsgeschenk.«
    » Wenn es technisch machbar wäre, würde dein Mann sich auf den Mond schießen lassen, um von dort aus zu dirigieren.«
    » Ich mache mir Sorgen, Victor.« Maria nahm seine Hand. » Nachdem er die großen Symphonien noch einmal auf CD für alle Zukunft aufgenommen hat, will er jetzt sein eigenes Dirigat verewigen. Weißt du, so wie einer vor einem Spiegel zu Schallplatten dirigiert, nur daß er dabei in seinem Atelier von zwei Dutzend
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