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Aufstand der Alten

Aufstand der Alten

Titel: Aufstand der Alten
Autoren: Brian W. Aldiss
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etwas Schlimmes getan.«
    »Du solltest in deinem Bett sein, Algernon. Komm, hinauf mit dir! Ich begleite dich.« Er nahm das Kind bei der Hand, und sie stiegen die Treppe hinauf. »Wo ist der kleine Jock Bear? Kriecht er auch ohne Morgenmantel im Haus herum?«
    »Er ist schon im Bett. Ich dachte, Sie seien Papa. Darum bin ich herunter geschlichen. Ich wollte ihm sagen, daß es mir leid tut, was ich gemacht habe.«
    MacMichael starrte auf seine Schuhe. »Er würde es dir ganz bestimmt vergeben, Kröte, was immer es war – und ich glaube nicht, daß es etwas allzu Schlimmes gewesen ist.«
    »Papa und ich denken, daß es ziemlich furchtbar war. Deshalb ist es so wichtig, daß ich ihn sehe. Wissen Sie, wo er ist?«
    Der alte Arzt antwortete nicht gleich. Er stand da und sah zu, wie der Junge zu seinem Teddybären unter die Decke schlüpfte, dann sagte er: »Algernon, du wirst jetzt ein großer Junge. Also mußt du dir nicht zuviel dabei denken, wenn du deinen Vater für eine Weile nicht siehst. Es werden andere Männer da sein, und wir wollen dir helfen, wenn wir können.«
    »In Ordnung«, sagte Algy mannhaft.
    Er kuschelte sich in sein Bett, bis nur noch ein Haarschopf, eine kleine Nase und zwei Augen zu sehen waren. Er ließ den Arzt nicht aus den Augen, der besorgt in seinem alten Trenchcoat neben dem Bett stand.
    »Du weißt, daß ich dein Freund bin, Algernon, nicht wahr?«
    »Das muß so sein, denn ich hörte, wie Mama zu Tante Venny sagte, daß Sie mir das Leben gerettet hätten. Aber würden Sie etwas sehr Wichtiges für mich tun?«
    »Sag mir, was es ist, und ich werde es versuchen.«
    Der Junge winkte ihn näher, und Doktor MacMichael beugte seinen Kopf über das Kissen. »Schieß los, Junge«, sagte er.
    »Kennen Sie dieses kahle Mädchen, Martha Broughton? Wir wollten ins Nachbarhaus ziehen, aber dann habe ich die Sache vermasselt. Glauben Sie, Papa würde erlauben, daß sie herkommt, damit ich mit ihr spielen kann? Sie kann schneller laufen als alle, die ich kenne!«
    »Darum werde ich mich kümmern, Algy. Das verspreche ich dir.«
    »Sie ist furchtbar kahl – ich meine, richtig kahl, aber ich mag sie leiden. Vielleicht sind Mädchen ohne Haare besser.«
    »Ich werde zusehen, daß sie noch vor dem Wochenende kommt«, sagte MacMichael gütig. »Ich habe sie nämlich auch sehr gern.«
    »Sie sind wirklich ein guter Doktor. Ich – ich werde beweisen, daß ich dankbar bin – ich werde Ihnen kein Thermometer mehr kaputtmachen.«
    Doktor MacMichael strich dem Jungen übers Haar und verließ das Zimmer. Am Treppenabsatz blieb er stehen, um seiner Gefühle Herr zu werden, rückte seine Krawatte zurecht und ging langsam hinunter, um die anderen vom Autounfall zu unterrichten.

6
     
     
    Die Sommernächte waren kurz und behielten etwas von der Durchsichtigkeit der Tage. Das Lärmen der erwachenden Tierwelt lieferte die ersten Geräusche, die man allmorgendlich in dem kleinen Zelt am Rand des Wassers hörte.
    Als Graubart und seine Frau Martha und Charley Samuels an diesem Morgen aufstanden, sahen sie sich am Ufer einer im Dunst verschwimmenden Themse. Schwärme von Wildenten zogen über den blaßblauen Himmel. Wildgänse und Schwäne überquerten mit schweren, melodisch pfeifenden Flügelschlägen den Fluß zu ihren Futterplätzen. In größeren Höhen flogen kleinere Vögel. Man sah auch Raubvögel kreisen, Falken und Fischadler, die es in diesen Regionen früher nicht gegeben hatte.
    Im Gegensatz zu den Vögeln besaßen die Menschen keine instinktive Fähigkeit der Orientierung, und schon am dritten Tag nach dem Verlassen Oxfords führte sie ihre Reise zur Flußmündung in ein Labyrinth aus Wasserarmen und Sümpfen.
    Mochte der Weg auch schwierig zu finden sein, sie waren von einer Stimmung müßiger Selbstzufriedenheit erfüllt und verspürten keinen Drang, ein Gebiet zu verlassen, das so überreich an jagdbaren Tieren war. Wildgänse und Enten verwandelten sich unter Marthas kundigen Händen in schmackhafte Fleischsuppen und Braten, und die Fische schienen nur darauf zu warten, daß man sie aus dem Wasser zog.
    Sie hatten nur wenige menschliche Rivalen, und diese wenigen kamen meistens vom nördlichen Ufer des Überflutungsgebietes, aus den Siedlungen, die zwischen Oxford und London noch bestanden. Sie sahen einzelne Hermeline und einen Steinmarder, der mit einem Wilderpel im Fang durch das Röhricht glitt. Sie sahen Fischotter und Bisamratten und die Fährten von Rehen, die zum Trinken ans Ufer gekommen
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