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Aufstand der Alten

Aufstand der Alten

Titel: Aufstand der Alten
Autoren: Brian W. Aldiss
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einmarschierenden Schotten war Sams Erzählung von dem fremden Hausierer. Obwohl die Wildnis undurchdringlich schien, gab es Pfade, die sie durchzogen, und Männer, die auf diesen Wegen reisten, wenngleich das Dorf Sparcot außer dem spärlichen Verkehr auf der Themse wenig zu sehen bekam. Trotzdem durften sie in ihrer Wachsamkeit nicht nachlassen. Selbst in diesen friedlichen Tagen – ›die Apathie, die vollen Frieden bringt‹, dachte Graubart und fragte sich, wen er zitierte – konnten unbewachte Dörfer wegen ihrer Lebensmittelvorräte oder auch nur aus Tollheit überfallen und zerstört werden. So glaubten sie.
    Er kam jetzt an angepflockten Kühen vorbei, die im Radius ihrer Stricke das Gras rupften. Sie waren von der neuen Art, klein, stämmig, plump und friedlich. Und jung! Schöne Geschöpfe, die Graubart mit feuchten Augen ansahen, Geschöpfe, die dem Menschen gehörten, aber keinen Anteil an seiner Altersschwäche hatten, Geschöpfe, die das Gras bis hin zu den verfilzten Brombeergeschlingen kurz hielten.
    Er sah, daß eins der Tiere am Rand der Weide wild an seinem Strick zerrte. Es warf den Kopf hoch, rollte die Augen und brüllte. Graubart beschleunigte seinen Schritt.
    Außer einem toten Kaninchen bei den Brombeeren schien nichts die Kuh zu beunruhigen. Als er näherkam, betrachtete Graubart das Kaninchen. Es war erst vor kurzem getötet worden. Und obgleich es offensichtlich tot war, glaubte er gesehen zu haben, daß es sich bewegte. Er war bis auf wenige Schritte herangekommen und verhielt nun mißtrauisch; ein leichtes Prickeln ging über seinen Rücken.
    Das Kaninchen war zweifellos tot, durch einen Biß in den Nacken gemordet. Der Hals war blutig, das Auge glasig.
    Und doch bewegte es sich. Sein Leib hob sich.
    Graubart fühlte eine abergläubische Furcht. Er ging einen Schritt zurück und faßte das Gewehr mit beiden Händen. Im selben Augenblick hob sich der Leib des Kaninchens wieder, und sein Mörder kam zum Vorschein.
    Unter dem Kadaver des Kaninchens kam ein großes Wiesel heraus, ein Hermelin. Sein braunes Fell war vom Blut des Kaninchens mit dunklen, feuchten Flecken beschmiert, und die kleine Raubtierschnauze, die es Graubart witternd entgegenstreckte, scharlachrot gefärbt. Er schoß es tot, bevor es flüchten konnte.
    Die Kühe schlugen aus und warfen sich in ihre Haltestricke. Vögel flatterten aus den Baumwipfeln auf. Von der Wachstube dröhnte der Gong über die stille Lichtung hinaus. Vor den Scheunen sammelte sich eine Gruppe Menschen.
    »Kein Grund zur Aufregung«, knurrte Graubart. Doch er wußte, daß der Schuß ein Fehler gewesen war; er hätte das Hermelin mit dem Gewehrkolben totschlagen sollen. Das Krachen eines Schusses führte immer zu Unruhe.
    Ein Trupp aktiver Sechzigjähriger begann über die Wiesen zu marschieren. Die Männer schwangen Knüppel und Mistgabeln verschiedener Formen. Trotz seiner Gereiztheit mußte er zugeben, daß es eine prompte Reaktion war. Noch war es im Dorf recht lebendig.
    »Alles in Ordnung!« schrie er ihnen zu und schwenkte die Arme über dem Kopf. »Alles klar! Ich wurde von einem Hermelin angegriffen, das ist alles. Ihr könnt umkehren.«
    Charley Samuels war unter den Kämpfern, ein großer Mann von gelblicher Gesichtsfarbe; er hatte Isaac, seinen zahmen Fuchs, an der Leine. Charley war ein Nachbar der Timberlanes und hatte sich ihnen zunehmend angeschlossen, seit seine Frau im vergangenen Frühjahr gestorben war. Nun löste er sich aus der Gruppe und kam zu Graubart.
    »Im Frühjahr machen wir eine Treibjagd, um mehr Fuchswelpen zu sammeln und zu zähmen«, sagte er. »Sie werden uns helfen, die Hermeline in Schach zu halten, die in unsere Nähe kommen. Auch die Ratten vermehren sich in den alten Häusern. Ich glaube, die Hermeline jagen sie an den Flußufern, und nun suchen sie im Dorf Zuflucht. Die Füchse werden auch mit den Ratten aufräumen, nicht wahr, Isaac, Junge?«
    Noch immer ärgerlich über sich selbst, setzte Graubart seinen Rundgang fort. Charley begleitete ihn schweigend. Der Fuchs schnürte zwischen ihnen, die buschige Rute am Boden.
    Die übrigen Männer hatten unschlüssig in der Mitte der marschigen Wiese haltgemacht. Einige beruhigten das Vieh, andere kehrten zu den Häusern zurück, von wo ihnen andere entgegenkamen, um die Neuigkeit zu hören.
    »Sie sind beinahe enttäuscht, daß es nichts Aufregenderes war«, bemerkte Charley. Ein Büschel seines drahtigen Haars stieß über seine Stirn nach vorn. Früher war es
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