Aufgedirndlt
was brauchst du das Handy denn?«
»Damit ich sehen kann, ob Madleen diese Nummer schon mal gewählt hat. Oder ob sie in ihrem Handy gespeichert ist.«
Hektisch begann Kastner jetzt das ganze Zelt zu durchwühlen. Vielleicht hatte Madleen das Handy ja gar nicht aufs Seefest mitgenommen. Aber die Suche war vergeblich. Madleens Handy blieb verschwunden.
Obwohl sich Kastner heute »ermittlungsmäßig Weltklasse« fühlte, wie er insgeheim befand, bat er doch Anne, den Anruf bei ominöser Person F. zu übernehmen. »Das mit der Schwangerschaft«, hatte der Polizist befunden, war doch eher Frauensache.
Die Anspannung im Büro der beiden Ermittler war groß, als Anne die Handynummer wählte. Dank Freisprechfunktion konnte auch Kastner hören, wie es achtmal läutete. Dann meldete sich eine männliche Stimme einfach nur mit »Ja«.
»Hallo«, antwortete Anne.
»Wer ist da?«
»Anne. Ich bin ’ne Freundin von Madleen«, log sie. Wenn der Typ etwas mit Madleens Tod zu tun hatte, dann würde er jetzt eine auffällige Reaktion zeigen. Oder er war ein guter Schauspieler.
Der Typ am anderen Ende der Leitung fragte jedoch nur: »Madleen vom Zonenhof?«
»Ja genau.« Fieberhaft überlegte Anne, wie sie das Gespräch weiterführen sollte. Dann entschied sie sich. »Wo bist du ’n gerade?«
Sofort merkte Anne, dass ihrem Gesprächspartner diese Frage komisch vorkam, denn er erkundigte sich jetzt misstrauisch: »Warum ruft eigentlich nicht Madleen mich an?«
»Sie kann nicht.« Wenn der Typ namens F. von Madleens Tod wusste, dann musste er spätestens jetzt irgendein verdächtiges Verhalten zeigen.
Die Reaktion des Mannes, der sich sehr jung anhörte, kam tatsächlich schnell, aber irgendwie war es nicht der Tonfall eines Verbrechers, in dem er fragte: »Ist was passiert? Ist sie schwanger?«
Fuck, dachte sich Anne, was soll ich denn jetzt noch fragen? Ihr Kopf pochte immer noch von ihrem Frustsuff nach dem Telefonat mit Bernhard, sie fühlte sich unfit, und neben ihr saß Kastner, der beide Hände zu Fäusten geballt hatte und sie lautlos anfeuerte, was auch nicht gerade hilfreich war. Sollte sie ihr Inkognito lüften und sagen, dass sie von der Polizei und Madleen vermutlich einem Verbrechen zum Opfer gefallen war? Aber wenn der Typ etwas mit der Sache zu tun hatte, dann verbauten sie sich dadurch alle Wege zu einer vernünftigen Vernehmung.
Dem Gesprächspartner dauerte die Pause anscheinend zu lange, denn er fragte: »Was ist jetzt eigentlich los? Woher hast du meine Nummer?«
»Von Madleen«, sagte Anne. Sie spürte, wie sich der am Vorabend konsumierte Rotwein durch alle Poren ihres Körpers drückte, die erfrischende Wirkung ihrer Morgendusche war viel zu lange schon verpufft. Anne war plötzlich alles zu viel. Zum Teufel mit der Taktik, dachte sie, und sagte: »Sie ist tot.« Jetzt war es draußen. Und Kastner war bestürzt. Hatte Anne gerade alles vermasselt?
»Was?«, schrie der Angerufene entsetzt. Und, darüber waren sich Anne und Kastner hinterher einig, die Überraschung in seiner Stimme hörte sich überhaupt nicht gespielt an.
Auch was dann folgte, klang glaubwürdig. Freimütig gab sich F., nachdem Anne ihn über die wesentlichen Fakten aufgeklärt hatte, als Felix zu erkennen und berichtete über sein kurzes Erlebnis mit Madleen. Offen sprach er darüber, wie sehr Madleen ihn verletzt hatte und wie sehr ihn der Gedanke beschäftigt hatte, das Mädchen könnte – wie es in den alten Mythen von den Amazonen überliefert wurde – tatsächlich nur darauf aus gewesen sein, von ihm geschwängert zu werden. Er gab zu, »einen Hass auf Madleen geschoben« und durchaus auch finstere Gedanken gewälzt zu haben. Als Anne ihn erneut fragte, wo er sich denn gerade aufhalte, stellte sich aber heraus, dass er von einer anderen Bauernhofkommune aufgenommen worden war, und zwar in Südthüringen.
Felix reagierte nicht gerade begeistert, als Anne ihn aufforderte, innerhalb der nächsten zwei Tage zu einer Zeugenvernehmung nach Bayern zu reisen, aber Anne erklärte ihm, dass an seinem Kommen kein Weg vorbeiführe.
»Und?«, fragte Anne in Richtung ihres Kollegen, nachdem sie aufgelegt hatte.
Der zuckte mit den Schultern. »Klingt alles schlüssig.« Kastner überlegte. »Allerdings ist Thüringen jetzt nicht so weit weg, dass er nicht doch als Täter infrage käme, rein technisch, theoretisch.«
»Weißt du was, Sepp«, meinte Anne jetzt forsch. »Ich glaube, es ist jetzt Zeit für ein paar gezielte DNA-Tests.
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