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Auferstehung 1. Band

Auferstehung 1. Band

Titel: Auferstehung 1. Band
Autoren: Leo N. Tolstoi
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sie ein-, zweimal aus; doch schließlich sahen sie sich, wie sie selbst sagten, gezwungen, »sich von ihr zu trennen,« d. h, sie warfen sie hinaus. Als sie sie verließ, trat sie als Mädchen für alles bei einem Stanowoj Polizeibeamter in Dienst; doch hier konnte sie nur drei Monate bleiben, denn der Stanowoj, ein alter Mann von über 60 Jahren, begann ihr schon im zweiten Monat den Hof zu machen. Eines Tages, als er sich ganz besonders zudringlich zeigte, nannte sie ihn ein Vieh und einen alten Teufel, und wurde deshalb wegen Frechheit entlassen. Eine andere Stellung zu suchen, daran konnte sie nicht denken, deshalb ging sie in Pension zu einer ihrer Tanten, einer Witwe, die eine Kneipe hatte und außerdem Hebamme war. Ihre Entbindung ging leicht und glücklich von statten. Doch die Hebamme, die ins Dorf zu einer kranken Bäuerin gegangen war, steckte Katuscha mit dem Kindbettfieber an. Das Kind, ein kleiner Junge, wurde ebenfalls krank und in ein Krankenhaus gebracht, starb aber dort gleich unter den Augen der Frau, die ihn hingebracht hatte.
    Katuschas ganzes Vermögen bestand in 127 Rubeln; 27, die sie sich verdient, und den 100 Rubeln, die ihr ihr Verführer gegeben hatte. Als sie von der Hebamme kam, blieben ihr sechs Rubel. Die Hebamme hatte ihr für ihre Pension auf zwei Monate 40 Rubel abgenommen; 28 Rubel hatte man für die Aufnahme des Kindes ins Hospital bezahlt; 40 Rubel hatte ihr die Hebamme noch als Darlehen abgenommen, um sich eine Kuh zu kaufen; was den Rest von 20 Rubel betraf, so hatte sie Katuscha, – sie wußte selbst nicht wie – in unnützen Einkäufen und Geschenken ausgegeben, so daß sie bei ihrer Genesung ohne Geld dastand und sich eine Stelle suchen mußte. Sie trat bei einem Forsthüter ein. Dieser Forsthüter war verheiratet; doch schon am ersten Tage begann er wie der Stanowoj der jungen Magd den Hof zu machen. Seine Frau bemerkte das bald, und als sie ihn eines Tages allein mit Katuscha in einem Zimmer traf, schlug sie ihr das Gesicht blutig und schickte sie fort, ohne ihr auch nur ihren Lohn zu bezahlen. Katuscha begab sich nun in die Stadt zu einer Base, deren Mann Buchbinder war; derselbe hatte früher gut dagestanden, aber er hatte seineKundschaft verloren, war ein Trunkenbold geworden und gab alles Geld, das ihm in die Hände fiel, in der Kneipe aus. Seine Frau hatte eine kleine Plätterei, mit deren winzigem Verdienst sie ihre Kinder ernährte und ihren Trunkenbold von Mann erhielt. Sie machte Katuscha den Vorschlag, ihr Handwerk zu lernen. Doch als das junge Mädchen sah, welch' anstrengendes Leben die Wäscherinnen führten, die bei ihrer Base arbeiteten, zögerte sie und wandte sich wegen einer Stellung als Dienstmädchen an ein Vermietungsbureau. Sie fand thatsächlich eine Stellung bei einer verwitweten Dame, die mit ihren beiden Söhnen zusammen lebte. Noch ungefähr eine Woche, nachdem sie in dieses Haus eingetreten war, vernachlässigte der älteste Sohn, ein Gymnasiast der sechsten Klasse, der schon einen Anflug von Schnurrbart hatte, seine Studien, um ihr den Hof zu machen. Die Mutter schob alle Schuld auf das hübsche Dienstmädchen und entließ sie.
    Es bot sich keine neue Stellung, und als Katuscha eines Tages ins Vermittlungsbureau kam, traf sie dort eine Dame, deren Hände mit Ringen und Armbändern überladen waren. Als diese Dame die Lage der jungen Person erfuhr, gab sie ihr ihre Adresse und forderte sie auf, sie zu besuchen. Die Maslow ging zu ihr. Die Dame empfing sie sehr liebenswürdig, regalierte sie mit Kuchen und süßem Wein und hielt sie bis zum Abend fest. Abends sah Katuscha einen großen Mann mit grauem Bart und langen grauen Haaren ins Zimmer treten, der sich sogleich zu ihr setzte und mit leuchtenden Augen und lächelnden Lippen sie zu examinieren und mit ihr zu scherzen begann. Die Dame nahm ihn im Nebenzimmer einen Augenblick beiseite, dann rief sie sie selber, und sagte ihr, der alte Herr wäre ein Schriftsteller, er hätte viel Geld, und würde ihr alles geben, was sie wollte, wenn sie ihm nur zu gefallen verstünde. Sie gefiel ihm thatsächlich, und der Schriftsteller gab ihr 25 Rubel und versprach, sie oft zu besuchen. Dieses Geld wurde übrigens schnell ausgegeben; Katuscha gab einen Teil ihrer Base als Bezahlung für ihre Pension; für den Rest kaufte sie sich ein Kleid, einen Hut und Bänder. Einige Tage darauf bestimmte ihr der Schriftsteller von neuem ein Rendezvous, zu dem sie auch kam; er gab ihr wieder 25 Rubel und veranlaßte
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