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Auf verlorenem Posten

Auf verlorenem Posten

Titel: Auf verlorenem Posten
Autoren: David Weber
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einer anderen Baumkatze das Gesicht eines Menschen zerschlitzt hatten, der töricht genug gewesen war, den Gefährten dieser Baumkatze zu bedrohen, doch sie sorgte sich nicht. Außer zur Selbstverteidigung (oder zu Honors Schutz) würde Nimitz ein menschliches Wesen ebensowenig verletzen, wie Baumkatzen jemals zum Vegetarier konvertierten.
    Honor löste die Hand aus Nimitz’ Griff und setzte sich das lange, geschmeidige Geschöpf auf die Schulter, ein Zug, den es mit noch begeistertertem Schnurren vergalt. Nimitz war, was die Raumfahrt betraf, ein alter Hase und wußte, daß an Bord kleiner Raumschiffe unter Antrieb der Zutritt zu Schultern verboten war, doch er wußte auch, daß Baumkatzen auf die Schultern ihrer Gefährten gehörten. Dort hatten sie gelegen, seit vor fünfhundert Jahren die erste ‘Katz einen Menschen adoptiert hatte, und Nimitz war Traditionalist.
    Die flache, pelzige Schnauze legte sich auf Honors Scheitel, nachdem Nimitz die vier unteren Krallensätze in die eigens dafür gepolsterten Schultern der Uniformjacke gesenkt hatte. Trotz seines langen, schlanken Körpers wog er ganz ordentlich – selbst unter der einfachen Schwerkraft, die im Shuttle herrschte, fast neun Kilo. Doch Honor war daran gewöhnt, und Nimitz hatte gelernt, seinen Schwerpunkt nicht auf den Rand ihrer Schulter zu legen. Nun klammerte er sich mühelos an sie, während sie den Aktenkoffer vom freien Sitz neben ihr hob. Honor war unter den Passagieren des zur Hälfte besetzten Shuttles die Dienstälteste, weshalb sie den Platz gleich neben der Luke erhalten hatte. Diese Tradition war ebenso praktisch wie höflich, da der dienstälteste Offizier ein Shuttle stets als letzter betrat und als erster wieder verließ.
    Das Shuttle erzitterte leicht, als seine Traktorstrahlen es an den siebzig Kilometer durchmessenden Koloß ketteten, an Ihrer Majestät Raumstation Hephaistos , die Hauptwerft der Royal Manticoran Navy. Nimitz seufzte vor Erleichterung in Honors kurzgeschnittenen, lockeren, dunkelbraunen Haarschopf. Honor unterdrückte ein Grinsen, erhob sich aus dem Schalensitz und zog die Uniformjacke straff. Der Schultersaum war unter Nimitz’ Gewicht abgesackt, und Honor brauchte einen Augenblick, um das rote und goldene Schulterabzeichen, das sie als Navyangehörige auswies und eine brüllende, löwenköpfige, fledermausflüglige Mantichora mit drohend erhobenem, stachelbewehrtem Schwanz zeigte, wieder an die Stelle zu rücken, wo es hingehörte. Anschließend zog sie das Barett unter der linken Schulterklappe hervor. Es war das besondere Barett, das weiße, das sie gekauft hatte, als man ihr die Hawkwing gab. Sie schob Nimitz’ Schnauze sanft zur Seite und setzte es auf. Der Baumkater ließ es sich gefallen, bis Honor die Kopfbedeckung gerade zurechtgerückt hatte, dann legte er das Kinn auf den weichen, warmen Stoff. Als Honor sich der Luke zuwandte, verzog sich ihr Gesicht unwülkürlich zu einem breiten Grinsen.
    Dieses Grinsen stellte eine schwerwiegende Verletzung ihres normalerweise ernsten ›geschäftsmäßigen Gesichtsausdrucks‹ dar, doch heute besaß sie jedes Recht dazu. Tatsächlich kam sie sich sehr beherrscht vor, weil sie sich lediglich zu einem Grinsen hinreißen ließ, wo sie am liebsten Pirouetten gedreht und dabei die Arme um sich geworfen hätte, um den ohne Zweifel erstaunten Mitpassagieren ihr grenzenloses Glück zu offenbaren. Doch Honor war beinahe vierundzwanzig Jahre alt, über vierzig terranische Standardjahre –, und für einen Commander der Royal Manticoran Navy hätte sich ein derart würdeloses Benehmen einfach nicht geschickt, selbst wenn sie gerade im Begriff stand, das Kommando über ihren ersten Kreuzer zu übernehmen.
    Honor unterdrückte ein weiteres Auflachen, sonnte sich in dem ungewohnten Gefühl vollkommenen Glücks und legte eine Hand auf die Uniformbrust. Der gefaltete Bogen archaischen Papiers in der Tasche knisterte unter der Berührung – ein seltsam sinnliches, erregendes Geräusch –, und Honor schloß die Augen, um es zu genießen. Sie kostete den Moment aus, auf den sie so lange und so hart hingearbeitet hatte.
    Fünfzehn Jahre – fünfundzwanzig T-Jahre – seit jenem ersten aufregenden, furchteinflößenden Tag auf Saganami-Island. Zweieinhalb Jahre Lehrgänge und Streß bis zum Abschluß der Akademie. Vier Jahre, um ohne Protektion oder Verbindungen zum Königshof vom Ensign zum Lieutenant aufzusteigen. Elf Monate als Segelmeisterin an Bord der Fregatte Osprey . Dann
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