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Auf nassen Straßen

Auf nassen Straßen

Titel: Auf nassen Straßen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dunkel.
    Hannes ging hinunter zur Brücke der Fähre. Das Fährschiff lag drüben auf der anderen Rheinseite. Hier, an dem schwimmenden Eisenponton mit dem Eisengeländer, lag nur ein kleines Boot, mit einem dicken Seil vertäut. Die Ruder waren dabei.
    Hannes sah den Rhein hinab. Die dunklen Wellen klatschten träge gegen den Ponton. Fern, wie einen Schatten, der langsam näher kam, meinte er die ›Guter Weg‹ den Rhein heraufkommen zu sehen.
    Vorsichtig beugte er sich zu dem kleinen Eisenboot hinab und untersuchte den Knoten des Taues. Er war naß, aber einfach geknüpft. Doch war es besser, das Tau auf dem Ponton zu lösen und mit ins Boot zu nehmen, als zu versuchen, den Knoten aufzumachen.
    Hannes wickelte das Tau von dem stählernen Poller und warf es ins Boot. Dann sprang er mit einem Satz hinterher.
    Als das Boot ruhig geworden war, nahm er die Ruder und senkte sie ins Wasser. Mit ein paar Schlägen war er im Rhein und ruderte bis in die Mitte.
    Dann ließ er das Boot mit der Strömung abwärtsgleiten, dem Schatten entgegen, von dem er glaubte, es sei seine ›Guter Weg‹.
    Im Ruderhaus stand der Vollmatrose Kümpchens und trank aus einer flachen Flasche, die er aus seiner Hosentasche holte, Schnaps. Der alte Baumgart hockte auf einem Schemel an der Rückwand und sah zu. Wenn man ihn auch nicht mehr ans Ruder ließ und andere das Kommando übernommen hatten, so blieb er doch stur in seinem Ruderhaus. Er war der Herr! Das sollte man nicht vergessen.
    Plötzlich faßte er Kümpchens an den Ärmel der dicken Winterjacke.
    »Da!« rief er. »Sehen Sie nicht! Ein Boot! Mitten auf dem Rhein! In unserem Kurs!«
    Der Mann im Boot winkte mit beiden Armen.
    »Aus dem Weg, du Idiot!« schrie der alte Baumgart.
    Was keiner sah, das sahen die Augen der Mutter. Als sie neben dem alten Baumgart stand und hinüber zu dem treibenden Boot starrte, fuhren ihre Hände plötzlich vor und krallten sich in den Ärmel ihres Mannes.
    »Hannes!« schrie sie. »Hannes! Mein Gott! Mein Gott!«
    Der alte Baumgart umklammerte die lange Holzstange. Das ist nicht wahr, durchfuhr es ihn. Das kann ja nicht sein. Sie träumt. Hannes ist doch in Koblenz bei Irene. Was soll denn Hannes hier mitten auf dem Rhein in einem Ruderboot, in der Nacht?
    Aber dann sah auch er es.
    Das Gesicht. Die blonden Haare. Die dicke Schifferjacke.
    »Hannes!« brüllte er wie ein Stier. »Hannes!«
    Er stieß mit der Stange gegen das Boot. Es war noch einige Meter entfernt.
    Verzweifelt versuchte Hannes, mit den Rudern den eisernen Kahn zu dirigieren. Durch die lecken Schweiß- oder Nietstellen sickerte das Wasser unaufhaltsam nach und machte das Boot schwer. Zu schwer für die leichten Ruder, die es aus der reißenden Strömung und den Strudeln herausdrücken sollten, weg von dem Bug der ›Guter Weg‹, die immer näher kam, eine dunkle Wand, die auf ihn losrannte, gewaltiger und größer, als er sich die Bugwand seines Schiffes jemals vorgestellt hatte.
    Über dem Rhein lag jetzt Stille.
    Die Sirene schwieg. Die alten Dieselmotoren waren ausgeschaltet, von der Strömung abgedrückt stand das Schiff fast unbeweglich mitten im Strom. Um so schneller aber raste das eiserne Boot auf den Bug zu, nicht mehr zu bändigen durch Menschenkraft, die versagt, wenn die Urgewalten des Wassers das Schicksal an sich reißen.
    Aus dem Maschinenraum kam Omar Lullai hervor. Kümpchens hatte ihm zugeschrien, was sich vorne abspielte – jetzt rannte der Algerier über das Deck und warf seine Jacke und das Hemd ab, ehe er mit einem weiten Satz in den eiskalten Rhein sprang und sich durch die Strudel hin zu dem Kahn zu kämpfen suchte.
    Mit letzter Kraft stieß Hannes immer und immer die Ruder gegen die Strömung. Dann sah er den Bug vor sich aufwachsen wie einen Felsen. Da warf er die Hölzer weg und sprang mit einem verzweifelten Satz seitlich aus dem Kahn.
    Mit ungeheurer Wucht schleuderte ihn der Rhein an die Wand des Schiffes. Brüllend stieß der alte Baumgart mit seiner Stange in das Wasser, während Omar Lullai tauchte, um den unter den Kiel gedrückten Körper zu fassen.
    Sekunden, die sich wie Stunden dehnten, hielt der Strudel Hannes unter Wasser. Dann wirbelte der Körper wieder an die Wasseroberfläche, ohnmächtig, blutend, zerschellt an der harten Bordwand der ›Guter Weg‹. Omar Lullai packte ihn an den Haaren, bis er seine Arme unter den Achseln von Hannes durchziehen konnte. Im harten Kampf gegen die starke Strömung brachte er sich mit dem schlaffen Körper
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