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Auf dem spanischen Jakobsweg

Auf dem spanischen Jakobsweg

Titel: Auf dem spanischen Jakobsweg
Autoren: Wolfgang Dannhäuser
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bedanken.

    Unterhalb
des Altars, aber da muss man etliche Treppen hinuntersteigen, befindet sich
eine Gruft mit dem Silberschrein des Apostels und seiner beiden Schüler Athanasius
und Theodoras.
    Hier hat
sich, der Legende nach, um das Jahr 813 diese wunderbare und wundersame
Geschichte zugetragen, wonach der Einsiedler Pe-lagius im Unterholz eines
dichten Eichenwaldes plötzlich in der Nacht helle Lichter sieht und Engelchöre
singen hört. Er meldet das unverzüglich seinem Bischof Theodomir nach Iria
Flavia, an der nahen Küste des Atlantiks. Der reist sogleich an und auch in
seiner Gegenwart wiederholen sich nachts diese merkwürdigen Phänomene. So lässt
er schon am nächsten Tag diesen Ort untersuchen und man findet ein altes
Steingrab, umwölbt von zwei Marmorbögen. Theodomir ist davon überzeugt, dass er
das Grab von Jakobus dem Älteren, einem Jünger Jesu, gefunden hat, war doch in
alten Überlieferungen zu lesen, dass Jakobus in „Acha Marmarica“ beigesetzt
worden sei. War hiermit nicht ein Grab mit Marmorbögen, also mit „arcis
marmoricis“ gemeint? Für ihn war die Sache klar, er hatte das Grab des Apostels
gefunden. Denn nach dem damaligen Glauben war Jakobus missionierend durch Iberien
gezogen, bevor er wieder nach Jerusalem zurückkehrte und dort, was historisch
belegbar ist, durch Herodes Agrippa I. im Jahre 44 nach Christus unter dem
Schwert den Märtyrertod fand. So, wie es zu Beginn des 12. Kapitels der
Apostelgeschichte geschrieben steht:
    Um diese Zeit legte der König
Herodes die Hände an etliche der Gemeinde, sie zu peinigen. Er tötete aber
Jakobus, den Bruder des Johannes, mit dem Schwert.

    Ob nach
seiner Hinrichtung die Gebeine des Apostels mit einem Schiff an die äußerste
Nordwestküste Spaniens, nämlich nach Iria Flavia, dem heutigen El Padrón, verbracht
wurden, ist allerdings ebensowenig nachweisbar wie die Annahme, er habe vor
seiner Rückkehr nach Jerusalem in Nordspanien missioniert. Denn Aussagen über
eine solche Missionstätigkeit tauchten erstmals im 8. Jahrhundert in einem
Kommentar des Mönches Beatus von Liébana zur Johannesapokalypse auf und von der
Überführung des Leichnams des Jakobus nach Nordwestspanien ist erstmals in noch
späteren Quellen die Rede.
    Um das Jahr
813 aber, als die Muslime schon mehr als hundert Jahre zuvor mit Ausnahme eines
schmalen Streifens im Norden, wozu eben auch Galicien gehörte, Iberien erobert
und besetzt hatten, war man davon überzeugt, das Grab des Apostels gefunden zu
haben. Stand nach damaligem Glauben doch bereits fest, dass die Gebeine des
Apostels nach seinem Märtyrertod über See wieder nach Galicien verbracht und
hier beigesetzt worden waren.
    Auch am
asturischen Königshof in Oviedo, in diesen frühen Zeiten Hort der sich langsam
organisierenden Reconquista, war man über diesen Fund begeistert und König Alfons
II., der Keusche, berichtete unverzüglich an den karolingischen Hof nach Aachen
und natürlich auch an Papst Leo III. in Rom. Über „Arcis Marmoricis“, wie man
den Ort des Grabfundes jetzt für lange Zeit bezeichnete, ließ Alfons II. eine
kleine Kirche bauen, um die herum sich sehr schnell Menschen ansiedelten.
    Dies war
nicht die erste Siedlung auf dem Gebiet des heutigen Santiago. Von Grabungen
weiß man, dass der ganze Kirchenkomplex auf Nekropolen, also auf Gräberfeldern,
erbaut ist. Diese stammen zum Teil bereits aus der Zeit der Römer, die hier
schon seit dem 1. Jahrhundert nach Christi Geburt sesshaft geworden waren. So
liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei dem von Pelagius und Theodomir
gefundenen Marmorgrab um das Mausoleum eines römischen Patriziers und seiner
Familie handelte. Bei diesen Ausgrabungen hat man aber nicht nur Gräber,
sondern auch viele Skelette gefunden, darunter auch von riesenhaften Menschen,
vielleicht von jenen germanischen Hünen, die, wir haben das schon gehört, den
Kirchenlehrer Orosius im Jahre 414 vor Angst erstarren ließen, als er sie zum
ersten Mal sah.
    So haben wir
es also beim Untergrund der Kathedrale offensichtlich mit einem Gräberfeld, mit
einem Friedhof zu tun, der schon aus der Antike stammt. Vielleicht erklärt sich
sogar der Name „Compostela“ von dem lateinischen Wort „compositum“, was
„Friedhof“ bedeutet. Andere Historiker meinen allerdings, dass sich der Name
„Compostela“ in Anlehnung an die Lichterscheinungen des Pelagius von dem
lateinischen Wort „campus stellae“, also von „Sternenfeld“ ableitet.
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