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Attack Unsichtbarer Feind: Ein neuer Fall für Special Agent Pendergast (German Edition)

Attack Unsichtbarer Feind: Ein neuer Fall für Special Agent Pendergast (German Edition)

Titel: Attack Unsichtbarer Feind: Ein neuer Fall für Special Agent Pendergast (German Edition)
Autoren: Douglas Preston
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lauter Kummer ganz golden geworden.«
    »Oscar«, sagte Gill und lachte, »du bist wirklich schlimm. Auf eine solche Art von einer Dame zu sprechen.«
    Wilde winkte ab. »Die Dame würde es mir danken. Es gibt nur eines im Leben, was schlimmer ist, als dass über einen geredet wird – dass nicht über einen geredet wird.« Er sprach schnell, mit leiser Stimme, ein wenig manieriert.
    Doyle betrachtete Wilde verstohlen. Der Mann war eine auffällige Erscheinung. Er war von enorm großer Statur, trug altmodisch langes Haar, in der Mitte gescheitelt und achtlos nach hinten geworfen, und hatte ausgeprägte Gesichtszüge. Die Wahl seiner Kleidung war so exzentrisch, dass es fast schon an Verrücktheit grenzte. Er trug eine Jacke aus schwarzem Samt, die am mächtigen Leib eng anlag, die Ärmel waren mit floralen Mustern bestickt und an den Schultern gepufft. Um den Hals trug er eine schmale, dreireihige Rüschenkrawatte aus dem gleichen Brokatstoff wie an den Manschetten. Wilde war in modischer Hinsicht so kühn, dass er Kniehosen trug, ebenso eng anliegend, dazu Strümpfe aus schwarzer Seide und Slipper mit Ripsbandschleifen. Vor der hellbraunen Weste hing, als
boutonnière,
eine immens große weiße Orchideenblüte, die aussah, als würde im nächsten Augenblick ihr Nektar herauströpfeln. An den manikürten Fingern glitzerten schwere Goldringe. Trotz der höchst eigenwilligen Kleidung hatte Wilde milde Gesichtszüge, was den scharfen Ausdruck in seinen wachen braunen Augen ausglich. Und dennoch bewies der Mann eine erstaunliche Zartheit des Gefühls und des Takts. Seine merkwürdig präzisen Äußerungen begleitete er mit kleinen Gesten, die die Bedeutung seiner Worte unterstreichen sollten.
    »Sie sind außerordentlich freundlich, uns auf diese Art und Weise zu bewirten«, sagte Wilde jetzt. »Und dann auch noch im Langham. Ich wäre sonst völlig aufgeschmissen. Nicht, dass mir das Geld zum Abendessen fehlte, natürlich nicht. Schauen Sie, nur Menschen, die ihre Rechnungen begleichen, haben kein Geld, und ich, verstehen Sie, bezahle nie meine Rechnungen.«
    »Ich fürchte, Sie werden feststellen, dass meine Beweggründe ausschließlich pekuniärer Art sind«, erwiderte Stoddart. »Und ich will Ihnen auch nicht verhehlen, dass ich nach England gekommen bin, um eine britische Ausgabe der Monatszeitschrift
Lippincott’s Monthly
herauszubringen.«
    »Philadelphia ist Ihnen nicht groß genug?«, fragte Gill.
    Lächelnd blickte Stoddart erst Wilde und dann Doyle an. »Ich habe die Absicht, noch ehe wir unser Mahl beendet haben, mir von jedem von Ihnen einen neuen Roman zu sichern.«
    Als er das hörte, war Doyle wie elektrisiert. In seinem Telegramm war Stoddart hinsichtlich der Gründe, warum er ihn gebeten hatte, zum Dinner nach London zu kommen, vage geblieben. Doch der Mann war ein bekannter amerikanischer Verleger, und genau dies hatte Doyle zu hören gehofft. Seine Arztpraxis war langsamer angelaufen, als ihm lieb war. Um die freie Zeit auszufüllen, hatte er, während er auf Patienten wartete, damit begonnen, Romane zu schreiben. Die letzten Geschichten waren Achtungserfolge gewesen. Stoddart war genau der Mann, den er brauchte, um seine literarische Karriere zu befördern. Doyle fand ihn angenehm, ja sogar charmant – für einen Amerikaner.
    Das Dinner erwies sich als ein köstliches Vergnügen.
    Gill war ein amüsanter Bursche, aber Oscar Wilde war absolut erstaunlich. Wildes anmutige Gesten, die lässige Ausdrucksweise, die sehr lebhaft wurde, wenn er seine kuriosen Anekdoten oder amüsanten
bons mots
zum Besten gab, faszinierten Doyle. Es kam fast einem Wunder gleich, überlegte er, dass er dank der modernen Technik in wenigen Stunden von einem verschlafenen Städtchen an der Küste an diesen gediegenen Ort befördert worden war und nun zwischen einem bedeutenden Verleger, einem Mitglied des Parlaments und dem berühmten Hauptvertreter des Ästhetizismus speiste.
    In schneller Folge wurden die Speisen serviert: eingelegte Garnelen, Galantine vom Huhn, Kutteln, in Teig gebraten, Hummersuppe. Zu Beginn des Abends hatte man Rot- und Weißwein kredenzt, und es war immer großzügig nachgeschenkt worden. Erstaunlich, wie viel Geld die Amerikaner hatten; Stoddart war dabei, ein kleines Vermögen auszugeben.
    Die Wahl des Zeitpunkts war ausgezeichnet. Doyle hatte eben mit einem neuen Roman begonnen, der Stoddart sicher gefallen würde. Sein vorletztes Werk,
Micha Clarke,
war gut besprochen worden, auch wenn sein
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