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Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Titel: Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill
Autoren: Mo Hayder
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sie Sally am Ende der langen Zufahrt zu Isabelles Haus ab. Sie trugen weiße Jeans und hohe Absätze unter ihren pinkfarbenen Arbeitsschürzen, und sie hatten die Fenster heruntergedreht, ließen die Arme heraushängen, rauchten und schlugen im Takt der Radiomusik an das Blech des Autos. Sie waren in den Zwanzigern, und mit einer Schülerin aus der feinen Hälfte der Stadt würden sie nichts anfangen können; also sprach Sally nicht über die vermisste Lorne. Sie saß auf dem Rücksitz, kaute ein Airwaves, um den Weingeruch ihres Atems zu vertreiben, und schaute hinaus auf die vorüberfliegende Hecke. Sie überlegte, was sie sonst noch über Lorne wusste. Der Mutter war sie einmal begegnet. Sie hieß Polly. Oder Pippa oder so ähnlich … Vielleicht hatte Isabelle ja recht. Vielleicht war das Mädchen weggelaufen, weil zu Hause irgendetwas vorgefallen war. Aber vermisst? Wirklich richtig vermisst? Das klang nicht gut. Und nach dem, was die Kinder auf Twitter erfahren hatten, nahm die Polizei die Sache sehr ernst, als sei ihr etwas Furchtbares zugestoßen.
    Ihr Kunde an diesem Tag – David Goldrab – wohnte draußen hinter der Rennbahn, abseits der Ausfallstraße, die aus Bath hinausführte. Am Rande von Hanging Hill, wo vor fast vierhundert Jahren die große Schlacht zwischen Royalisten und Parlamentsanhängern stattgefunden hatte. Es war eine komische Gegend, bemerkenswert hauptsächlich wegen eines markanten Wahrzeichens, das in der Gegend als Caterpillar – »die Raupe« – bekannt war, einer Reihe von Bäumen auf dem Höhenkamm eines gegenüberliegenden Hügels, die man im meilenweiten Umkreis sehen konnte. Sally fand Hanging Hill irgendwie unheimlich. Und als habe die Geschichte dieser Anhöhe die Anwohner infiziert, schien ein Hauch von Verderbnis über allem zu schweben. Man munkelte, das bei dem Brink’s- MAT -Raub erbeutete Gold sei hier von einem Goldhändler aus Bristol in Formkästen eingeschmolzen worden, und irgendetwas an David und an seinem Haus, Lightpil House, bereitete Sally Unbehagen. Das Grundstück mit seinen Sträuchern, Kieswegen, Baumschulen, Teichen und entlegenen Wäldchen war in den letzten zehn Jahren von Landschaftsarchitekten mit Baggern und Planierraupen gestaltet worden und sah hier völlig deplatziert aus. Auch das Haus war modern und schien seine Umgebung zu erdrücken. Es war aus dem buttergelben Stein erbaut, den man überall in Bath benutzte, und sollte an eine palladianische Villa erinnern: Es hatte einen riesigen Portikus, so hoch wie zwei Geschosse, eine Orangerie mit einer Reihe von verglasten Bögen, und der Eingang war durch ein elektronisch gesteuertes Tor gesichert, das von vergoldeten Ananasfrüchten gekrönt war.
    Marysien´ka steuerte den Honda auf einem Fahrweg um das Anwesen herum zu einem kleinen Parkplatz am unteren Ende des Besitzes. Von hier aus schleppten sie ihre Putzsachen den langen Weg hinauf, der sich am Swimmingpool vorbei und zwischen makellos gepflegten Rhododendron- und Kreuzdornhecken hindurchschlängelte. Die Tür war offen, im Haus war es still, nur in der Küche lief der Fernseher. Das war nichts Ungewöhnliches; nicht selten bekamen sie David gar nicht zu sehen. Die Agentur hatte unmissverständlich erklärt, er wolle nicht gestört oder angesprochen werden. Ab und zu wanderte er in einem Frotteebademantel und mit FitFlops an den Füßen durch die Küche, das Handy unters Kinn geklemmt und eine Fernbedienung in der Hand, und verzog schmerzlich das Gesicht oder schüttelte enttäuscht den Kopf, weil die Sky-Box ihm nicht gehorchen wollte. Aber oft hatte er sich auch in seinem Arbeitszimmer im Westflügel eingeschlossen, oder er war drüben im Mietstall, wo sein Turnierpferd Bruiser stand. In der Küche lag immer eine Liste mit Aufträgen für die Mädels, und ein Umschlag mit Bargeld war auch dabei. Er bekam nicht viel Besuch, und auch wenn er nicht durch besondere Ordnungsliebe oder Sauberkeit auffiel, war es merkwürdig, Böden und Toiletten und Waschbecken zu schrubben, die seit ihrem letzten Einsatz gar nicht benutzt worden waren. Sie hätten die Türen verriegeln, sich hinsetzen und ihre Nägel lackieren können – und am Ende bloß eine Wolke Möbelpolitur versprühen müssen. Niemand hätte etwas gemerkt. Aber insgeheim hatten sie alle ein bisschen Angst vor David mit seinen Sicherheitssystemen und elektronischen Toren und der Kamera über der Haustür. Also gingen sie auf Nummer sicher und putzten das Haus, ob es nötig war oder
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