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Ashford Park

Ashford Park

Titel: Ashford Park
Autoren: Lauren Willig
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unter Schmerzen, nachdem, na ja, nachdem alles so grauenvoll und dramatisch in die Brüche gegangen war. Der Rest war Geschichte, versunken im Nebel der Zeit. Sie und Bea konnten jetzt sicherlich darüber lachen, wenn sie auf der Veranda vor dem Farmhaus saßen. Gab es da überhaupt eine Veranda? Bestimmt, dachte Addie. Eine Veranda hörte sich nach angemessen rustikaler Ausstattung an.
    Das war doch der Grund für ihre Reise, sagte sie sich. Frieden zu schließen. Sie und Bea waren so lange innige Vertraute gewesen, einander näher als Schwestern. Die letzten fünf Jahre des Schweigens waren wie eine klaffende Wunde gewesen.
    An Frederick würde sie nicht denken.
    Die Signalpfeife gab einen letzten schrillen Pfiff von sich, und der Zug hielt an. «Nairobi», rief jemand mit schallender Stimme. «Nairobi.»
    Sie konnte gar nicht glauben, dass sie wirklich da war, dass diese Zugfahrt nicht endlos weitergehen würde, ein beständiges Rumpeln unter Qualmwolken und gleißender Sonne, die durch die Rollläden hindurch ihre Augen kitzelte.
    «Nairobi.»
    Addie fuhr hoch, nahm ihren kleinen Koffer und sah sich im Abteil nach herumliegenden Sachen um. Ihr Hut lag noch verlassen auf dem Bett. Sie zog ihn sich wieder über den Kopf und befestigte ihn mit einer langen Stahlnadel. Sie war da. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Sie zog ihre Kostümjacke zurecht, holte tief Atem, ging entschlossenen Schrittes zur Abteiltür und schob sie auf.
    Blinzelnd schaute sie in die Helligkeit hinaus. Ihr alberner kleiner Hut bot überhaupt keinen Schutz vor der Sonne: Sie hatte einen verschwommenen Eindruck von Licht und Staub, hin und her eilenden Menschen, die Gepäck ausluden, in mindestens einem halben Dutzend Sprachen, Arabisch, Englisch, Deutsch, Französisch, lauthals Freunde begrüßten. Auf der Metalltreppe stehend, beschattete Addie ihre Augen gegen die Sonne und suchte umsonst nach einer bekannten Gestalt, jemandem, den sie geschickt haben könnten, um sie abzuholen. Automobile hupten Rikschas an, die von Männern in wenig mehr als Lendenschurzen gezogen wurden, Reifen quietschten, der klappernde Hufschlag der Pferde untermalte das aufgeregte Stimmengewirr rundherum. In der heißen Sonne schienen die Gerüche intensiver, nach Pferden, Motoröl und Curry von einem Verkaufsstand neben dem Bahnhof.
    Über das Lärmen hinweg hörte sie jemanden ihren Namen rufen. «Addie! Addie! Hier.»
    Brav drehte sie sich um und suchte. Es war Beas Stimme, rauchig und angenehm, mit jenem leisen Anflug eines Lachens, der immer mitschwang, selbst wenn sie bis zum Äußersten reserviert war, so als hätte sie köstliche Geheimnisse, die sie liebend gern geteilt hätte.
Ein Mund wie geschaffen zum Erdbeerenessen
, hatte einer ihrer Verehrer geschwärmt, leicht aufgeworfene Lippen, die immer ein Lächeln zu verheißen schienen.
    «Bea?» Staub und Sonne ließen Regenbogen vor ihren Augen tanzen. Dunkelhäutige Männer in weißen Gewändern, Europäer in Khaki, Frauen in hellen Kleidern, alle verschoben sich auf dem überfüllten Bahnsteig in ständig wechselnden Mustern wie in einem Kaleidoskop.
    Aus dem Gewimmel stieß eine behandschuhte Hand wild winkend empor. «Hier.»
    Die Menge teilte sich, und Addie sah sie. Die Zeit war aufgehoben. Lärm und Stimmengewirr verklangen zur gedämpften Hintergrundkulisse.
    Wie hatte sie jemals hoffen können, Bea zu übertrumpfen?
    Zwei Kinder hatten sie nicht verändert. Sie war immer noch groß und schlank, ihr blondes Haar leuchtete golden unter dem Hut, den sie mit einer Hand festhielt. Es war ein schräg sitzendes Modell, neben dem Addies Topfhut unpraktisch und provinziell wirkte. Beas Kleid war hellbraun, aber nichts daran war langweilig oder spießig. Das Oberteil saß lose über einem schmalen Rock mit einem locker um die Hüften liegenden Gürtel in Weiß und Braun, der zu den Details an Ärmeln und Saum passte. Im Vergleich erschien Addies Kostüm sowohl übertrieben als auch billig.
    Addie verspürte eine vertraute Aufwallung von Liebe und Verzweiflung, von Freude über die Freude im Gesicht ihrer Cousine, das so unverändert schön war. Es war unfair. Sie wusste, dass es von
ihr
unfair war, Bea etwas übelzunehmen, das ganz einfach und natürlich ein Teil von ihr war, aber sie tat es trotzdem. Nur einmal … nur ein einziges Mal …
    «Liebste!» Bea hatte große Auftritte nie gescheut. Mit ausgebreiteten Armen flog sie Addie entgegen, als diese, steif und ungelenk von einem Tag und einer Nacht in einem
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