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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey
Autoren: Imperium
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handeln, sofern sie sich Gewinn davon versprachen. Es machte Lubji Spaß, die verschiedenen Methoden zu studieren, welche die Händler im Umgang mit ihren Kunden anwendeten; manche versuchten es mit Einschüchterung, andere mit Beschwatzen – und fast alle logen, was die Qualität ihrer Ware betraf. Besonders aufregend für Lubji war, daß die Leute sich der unterschiedlichsten Sprachen bedienten. Rasch erkannte er, daß die meisten Kunden – wie auch sein Vater – übers Ohr gehauen wurden. Im Laufe des Nachmittags hörte Lubji genauer zu und schnappte einige Brocken in anderen Sprachen als der eigenen auf.
    Als der Junge an diesem Abend nach Hause kam, bombardierte er seine Mutter erneut mit Fragen. Zum erstenmal machte Lubji die Erfahrung, daß es Fragen gab, die sogar seine Mutter nicht beantworten konnte. Ihr abschließender Kommentar zu der letzten unbeantworteten Frage an jenem Abend lautete: »Es wird Zeit, daß du zur Schule gehst, mein Kleiner.« Die Sache hatte nur einen Haken: In Douski gab es keine Schule für ein Kind in Lubjis Alter. Zelta beschloß, mit ihrem Onkel darüber zu reden, sobald sich die Gelegenheit bot. Es war ja immerhin möglich, daß ihr Sohn aufgrund seines brillanten Verstands einmal Rabbi wurde.
    Am nächsten Morgen stand Lubji auf, noch bevor sein Vater erwachte. Wieder schlüpfte er in das eine Paar Schuhe und schlich aus dem Haus, ohne seine Brüder und Schwestern zu wecken. Er rannte den ganzen Weg bis zum Markt; dann schlenderte er wieder zwischen den Buden und Ständen herum und schaute den Händlern zu, die ihre Waren zum Verkauf ausstellten. Er lauschte, wie sie feilschten, und er verstand immer mehr von dem, was sie sagten. Allmählich erkannte Lubji, was seine Mutter meinte, als sie gesagt hatte, er habe eine von Gott gegebene Sprachbegabung. Daß er überdies ein unglaubliches kaufmännisches Talent besaß, das sich hier und jetzt zu entwickeln begann, wußte sie allerdings nicht.
    Gebannt schaute Lubji zu, wie jemand ein Dutzend Kerzen für ein Hühnchen eintauschte, während ein anderer sich für zwei Sack Kartoffeln von einer Kommode trennte. Er stapfte weiter und beobachtete, wie eine Ziege für einen abgetretenen Teppich geboten wurde, und ein Karren Holz für eine Matratze. Lubji hatte den sehnlichen Wunsch, sich die Matratze leisten zu können, die breiter und dicker war als die eine, auf der seine ganze Familie schlief.
    Morgen für Morgen kehrte er zum Marktplatz zurück. Er erkannte, daß die Tüchtigkeit eines Händlers nicht nur von seiner Ware abhing, sondern vor allem von seiner Fähigkeit, den Kunden zu überzeugen, daß er diese Ware benötigte. Lubji brauchte nur wenige Tage, um zu erkennen, daß die Leute, die diese farbigen Scheine benutzten, nicht nur besser gekleidet waren als die anderen, sondern sich ohne Zweifel auch in der besseren Lage befanden, ein gutes Geschäft zu machen.
    Als Lubjis Vater die Zeit für gekommen hielt, die nächsten zwei Kühe zum Markt zu zerren, war der Sechsjährige bestens darauf vorbereitet, das Feilschen zu übernehmen. An jenem Abend mußte der junge Händler seinen Vater wieder von der Gaststube nach Hause bringen. Doch nachdem der Betrunkene auf die Matratze gesunken war, starrte Zelta diesmal sprachlos auf den Berg von Gegenständen, den der Sohn vor ihr auftürmte.
    Lubji verbrachte mehr als eine Stunde damit, der Mutter zu helfen, die Sachen unter den Familienangehörigen aufzuteilen. Er verschwieg ihr jedoch, daß er immer noch ein Stück buntes Papier mit einer »10« darauf hatte. Er wollte herausfinden, was er sonst noch damit kaufen konnte.
    Am nächsten Morgen rannte Lubji nicht direkt zum Markt. Statt dessen begab er sich zum erstenmal in die Schulstraße, um sich ein Bild davon zu machen, was in den Läden verkauft wurde, die sein Großonkel hin und wieder besuchte. Er betrachtete die Schaufenster eines Bäckers, eines Fleischers, eines Töpfers, eines Textilgeschäfts und schließlich das eines Juweliers – Herr Lekski –; das einzige Geschäft, dessen Namen in Goldbuchstaben über der Tür prangte. Lubji starrte auf eine Brosche, die mitten im Schaufenster lag. Sie war sogar noch schöner als jene, die seine Mutter einmal im Jahr zu Rosh Ha Shannah trug, dem jüdischen Neujahrsfest; Zelta hatte Lubji einmal erzählt, die Brosche sei ein Familienerbstück. Als er an diesem Abend nach Hause kam, stellte er sich ans Feuer, während seine Mutter den Eintopf zubereitete. Er erzählte ihr, daß die Läden
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