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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey
Autoren: Ein Mann von Ehre
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Zweck?« fragte der
    Vorsitzende des Staatssicherheitsdienstes ungläubig. »Von den Experten höre ich, daß es sich wahrscheinlich um
die Arbeit eines Hofmalers handelt«, erklärte der sowjetische
Parteichef, »der nur wenige Monate vor der Revolution den
Auftrag erhalten hatte, die Kopie anzufertigen. Es hat den
Kustos des Winterpalastes schon immer beunruhigt, daß bei
diesem Bild die traditionelle Silberkrone des Zaren fehlt, die
bei allen anderen Meisterwerken auf der Rückseite des
Rahmens angebracht war«, fügte Breschnew hinzu.
»Ich habe angenommen, daß die Silberkrone von irgendeinem Souvenirjäger entfernt wurde, noch bevor wir in Sankt
Petersburg einmarschiert sind.«
»Nein«, bemerkte der Generalsekretär trocken. Nach jedem
Satz hoben sich seine buschigen Augenbrauen. »Nicht die
Silberkrone des Zaren ist entfernt worden, sondern das Bild
selbst.«
»Was hat der Zar dann bloß mit dem Original gemacht?«
murmelte der Vorsitzende, fast so, als richtete er die Frage an
sich selbst.
»Das möchte ich auch gern wissen«, sagte Breschnew und
stützte die Hände rechts und links von dem kleinen Bild auf,
das noch immer vor ihm lag. »Und Sie, Genosse, sind
ausersehen, die Antwort auf diese Frage zu finden.«
Zum erstenmal wirkte der Vorsitzende des KGB verunsichert.
»Aber haben Sie irgendwelche Anhaltspunkte, von denen ich
ausgehen kann?«
»Sehr wenige«, gab der Generalsekretär zu. Er schlug eine
Akte auf, die er aus der obersten Schublade seines
Schreibtisches gezogen hatte, und fixierte die eng getippten
Aufzeichnungen mit der Überschrift »Die Bedeutung der Ikone
in der Geschichte Rußlands«. Irgend jemand war die ganze
Nacht über aufgeblieben, um einen Zehn-Seiten-Bericht zu
verfassen, den der Parteichef bis jetzt nur hatte überfliegen
können. Breschnew überblätterte rasch die ersten drei Seiten;
sein eigentliches Interesse begann bei der vierten Seite. Er las
laut vor:
»›Zur Zeit der Revolution betrachtete Zar Nikolaus II.
Rubljews Meisterwerk offensichtlich als einen Passierschein,
der ihm den Weg in die Freiheit und in den Westen sichern
sollte. Anscheinend ließ er eine Kopie anfertigen, die er an der
Wand seines Arbeitszimmers zurückließ, dort, wo ursprünglich
das Original gehangen hatte.‹« Der russische Parteichef blickte
auf:
»Davon abgesehen haben wir kaum Anhaltspunkte.« Der Chef des KGB sah verwirrt drein. Er zerbrach sich nach
wie vor den Kopf darüber, aus welchem Grund Breschnew
wollte, daß der Staatssicherheitsdienst sich mit dem Diebstahl
eines Kunstwerks befaßte. »Und wie wichtig ist es, daß wir das
Original finden?« fragte er in dem Bemühen, einen weiteren
Hinweis zu erhalten.
Leonid Breschnew blickte starr auf den KGB-Chef hinunter. »Nichts könnte wichtiger sein, Genosse«, lautete die unerwartete Antwort. »Und ich stelle Ihnen sämtliche Mittel zur
Verfügung, personeller wie finanzieller Art, die Sie für nötig
erachten, um die Zaren-Ikone ausfindig zu machen.« »Aber wenn ich Sie beim Wort nehme, Genosse Generalsekretär«, stammelte der KGB-Chef und bemühte sich, seinen
Unglauben zu verbergen, »gebe ich vielleicht weit mehr aus,
als das Bild wert ist.«
»Das ist gar nicht möglich«, sagte Breschnew. Er legte eine
kleine Pause ein, um die Wirkung der folgenden Worte zu
steigern. »Weil ich nämlich nicht hinter der Ikone selbst her
bin.« Er drehte dem Vorsitzenden des Staatssicherheitsdienstes
den Rücken zu und blickte aus dem Fenster. Es hatte ihn schon
immer gestört, daß er nicht über die Kremlmauern hinweg auf
den Roten Platz sehen konnte. Er wartete noch einige
Augenblicke, bevor er erklärte: »Mit dem Erlös aus dem
Verkauf eines solchen Kunstwerkes hätte Zar Nikolaus nur ein
paar Monate, allerhöchstens ein Jahr lang seinen gewohnten
Lebensstil finanzieren können. Nein, nein, nicht die Ikone
selbst, sondern das, was er – wie wir glauben – in der Ikone
versteckt hatte, hätte ihm und seiner Familie Sicherheit bis ans
Ende ihrer Tage garantiert.«
Auf der Fensterscheibe vor dem Generalsekretär bildete sich
ein kleiner, kreisrunder Kondensfleck.
»Was, um alles in der Welt, könnte so viel wert sein?« fragte
der KGB-Chef.
»Erinnern Sie sich, Genosse, was der Zar Lenin versprach,
wenn er ihn am Leben ließe?«
»Ja, aber es hat sich doch herausgestellt, daß das ein Bluff
war, weil überhaupt kein Dokument in der …« Er hielt gerade
noch inne, bevor er den Satz zu Ende gesprochen hatte: Weil
überhaupt kein Dokument in der
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