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Arche Noah | Roman aus Ägypten

Arche Noah | Roman aus Ägypten

Titel: Arche Noah | Roman aus Ägypten
Autoren: Chalid al-Chamissi
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Produzent Zugang zu neuen, internationalen Märkten.
    Am 2. November 2000 eröffnete der Premierminister, Doktor Atif Abaid, das Cybercafé in Gisa. Auf dieser Mission begleiteten ihn Doktor Nasîf, der Forschungs- und Hochschulminister Doktor Mufîd Schihâb, Bildungsminister Hussain Kâmil Bahâa al-Dîn sowie der Minister für kommunale Entwicklung, Generalmajor Mustafa Abdalkâdir, der Vorsitzende der Stiftung Generation der Zukunft, Gamâl Mubârak, und nicht zuletzt der Gouverneur von Gisa, Justizrat Machmûd Abulail. Doktor Achmad Nasîf stellte den Plan des Ministeriums vor und versicherte, dass die erste Phase dieses Projekts zur Entwicklung der Medien- und Informationstechnologie eingeläutet worden sei. In sechs Gouvernements – Kairo, Gisa, al-Minja, Bani Suwaif, al-Gharbîja und Alexandria – seien insgesamt bereits dreiunddreissig Cybercafés eingerichtet worden.
    A ls ich das erste Mal von diesen Internetklubs hörte, war ich ganz frisch an der Uni. Alle redeten von einem Studenten, der zwei Jahrgänge über mir war. Er soll so lange vor dem Computer gehockt haben, bis er beim Chatten eine Deutsche kennenlernte, die ihm eine Einladung schickte. Mit viel Glück und Gottes Segen schaffte er es tatsächlich nach Deutschland. Bis zum Examen fehlten ihm nur noch drei Monate. Daher zog das deutsche Konsulat nicht die Möglichkeit in Betracht, dass er das Studium einfach schmeissen könnte. Er bekam ein Visum für zwei Wochen, die ihm vorkamen wie zwei Jahrhunderte. Langer Rede kurzer Sinn, jedenfalls ist er bis heute noch drüben. Von so etwas haben wir allegeträumt. Wenn andere es schaffen, sagten wir uns, dann gelingt es auch uns früher oder später. Wir müssen uns nur in die Warteschlange stellen. Das erste Mal, dass ich selbst in solch ein Cybercafé ging, war im darauffolgenden Sommer zusammen mit Salâch und Peter, meinen Freunden am Institut. Dort erfuhren wir von weiteren Glückspilzen, die mit Hilfe des Internets den Absprung ins Ausland geschafft hatten. Der Letzte war Ibrahîm. Er war in meinem Jahrgang, ich kenne ihn gut, erst sechs Monate ist es her, dass er wegging.
    I brahîm reiste mit einem Touristenvisum zusammen mit seiner Tante nach England. Sie lebte seit ungefähr einem Vierteljahrhundert dort und besass die britische Staatsbürgerschaft. Das Visum hatten sie und ihr Mann mit nie gekanntem Einsatz förmlich dem Löwen aus dem Maul gerissen. Ibrahîm wohnte bei ihr in Hook, einer kleinen Stadt in Hampshire, ungefähr eine Stunde Zugfahrt von London entfernt. Er stellte sich vor, dass Captain Hook aus diesem Ort stammte und dass er selbst auch eine von J. M. Barries Figuren sei. Er kam sich vor wie ein Pirat, der nach Hook gekommen war, um sich alles Vermögen und Gold der Stadt unter den Nagel zu reissen. Es versteht sich von selbst, dass er nicht vorhatte, jemals nach Ägypten zurückzukehren. Zwei Tage nach seiner Ankunft fand er bei einem alten Engländer Arbeit auf dessen Farm. Doch der Wind weht nicht immer günstig für die Piratenschiffe. Sein Vater starb unerwartet, und Ibrahîm musste heimfliegen, denn als einziger Sohn hatte er so manche heilige Pflicht zu erfüllen. Über die Rückkehr nach England machte er sich keine Gedanken. Er dachte, das ginge problemlos. Doch wie einarabisches Sprichwort sagt: »Den Hammâm zu verlassen ist einfacher, als wieder hineinzukommen.« Er erhielt kein neues Touristenvisum, da er das erste heillos überzogen hatte. Also blieb ihm als Fenster zur Welt nur das Internet. Er richtete sich mit Vollpension vor dem Bildschirm ein und chattete mit etlichen Frauen, von denen sich aber keine für die gewünschte Rolle eignete. Nach sechs Monaten lernte er schliesslich eine Frau aus Hook kennen, ungefähr zwanzig Jahre älter als er. Nach weiteren sechs Monaten hatte er sie überredet, auf seine Kosten nach Kairo zu kommen und ihn zu heiraten. Und sie kam tatsächlich. Ibrahîm legte sich mächtig ins Zeug, hofierte sie, bettete sie auf Rosen, zeigte sich männlich, zartfühlend und liebevoll. Aber auch der unanfechtbare Ehevertrag nützte nichts. Das britische Konsulat in Kairo verweigerte ihm das Visum. Daraufhin kehrte sie nach Hook zurück und klagte vor Gericht ihr Recht auf ein gemeinsames Leben mit ihrem Ehemann ein. Als der Richter sie sah, war ihm wohl sofort klar, dass sie unmöglich einen anderen Mann würde finden können, und liess Milde walten. Vier Monate nach ihrer Heimkehr wurde der Prozess zu ihren Gunsten entschieden und das
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