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Anziehungskraft: Stil kennt keine Größe (German Edition)

Anziehungskraft: Stil kennt keine Größe (German Edition)

Titel: Anziehungskraft: Stil kennt keine Größe (German Edition)
Autoren: Guido Maria Kretschmer
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-kleider, lindenblütengelber Jersey für Röcke und kurze Blazer. Die Verbindung von all den außergewöhnlichen Farben ist mir immer noch so sehr in Erinnerung, dass ich manchmal geneigt bin, eine Winterkollektion nur in diesen Tönen zu arbeiten. Ob der Markt sie annehmen wird, ist allerdings ziemlich fraglich. Elfenmode steht leider nicht allen.
    In meiner Erinnerung kann ich rückblickend sagen, dass ich die kleinen Momente mit ihrem Mann anfangs, vor der Tür, mehr genossen habe als die oft stundenlangen Anproben mit der Elfe des Hauses. Sie liebte Mode, hatte aber eher ein distanziertes Verhältnis zu ihrem Körper. Er war ihr nicht perfekt genug. Erstaunlicherweise sind doch die, die von der Natur alles bekommen haben, eben auch manchmal die, die Angst haben, wieder alles zu verlieren.
    Leider war das Adjektiv »perfekt« nicht gerade die treffendste Bezeichnung für die Verbindung der beiden Eheleute. In dieser Phase meines jungen Designerlebens gab es noch keine Assistentinnen, keine Direktricen, keine Büros und Nadelmädchen, die die hilfreiche Hand spielten. Es gab nur mich an der gesamten Textilfront. Die Mission war eine stoffliche. »Kreuzritter der Mode sind Sie, lieber Herr Guido«, pflegte ihr Mann zu sagen. Oder: »Das wissen Sie schon, dass meine Frau Sie sehr schätzt, Herr Guido, oder?« … Der »Herr Guido« wusste sehr genau um die Verbundenheit zu seiner Frau, deren Zuneigung ihm scheinbar seit Jahren nicht mehr zuteilgeworden war.
    Sie umarmte mich nur beim Abschied, zur Begrüßung senkte sie den Kopf ein wenig, lächelte mich an und berührte mit einem Finger meine Hand. Eine seltsame Art, »Herzlich willkommen« zu sagen. Unsere ruhigen, kontemplativen Anproben hatten immer etwas von einem stillen Einverständnis. Sie empfing, ich bediente, er kommentierte vor der Tür. Jedes von mir gearbeitete Modell wurde im Vorraum gelagert. Es geschah nicht selten, dass ich beim Hereintreten den Gatten vorfand, die Hände in meinen Kleidern vergraben.
    Er benahm sich immer wie ein kleiner Schuljunge, der beim Schummeln erwischt wurde. Er fragte mich: »Wie sind ihre Beine, Herr Kretschmer? Sind die Oberschenkel noch fest und ist ihr Busen noch zart und ist sie noch so schön in ihrer Wäsche, wie ich sie in Erinnerung habe?« Seine Fragen öffneten mir seine Seele und erzählten von der Sehnsucht nach seiner Frau und der fehlenden Nähe. Der Umstand, dass er sie wohl seit Jahren nicht mehr in Wäsche beziehungsweise nackt gesehen hatte, war beschämend und traurig zugleich. »Ein Traum auf zwei Beinen ist Ihre Frau«, sagte ich ihm einmal. »Oh danke, Herr Guido«, sagte er, »danke, danke.« Seine Fragen kamen oft so unverhofft wie direkt. Zwei Sehende, die blind füreinander geworden waren. Die Elfe wusste um den Umstand der intimen Fragen sowie um das Tätscheln der Kleider. »Was wollte er schon wieder von Ihnen wissen?«, war die Frage, die immer öfter zwischen Saum und Schlitz passte. »Er soll die Kleider nicht anfassen. Sagen Sie ihm das bitte.«
    Das Meisenkaiserchen ließ sich ausschließlich Kostüme und Kleider fertigen. Ich habe sie nie in Hosen gesehen. Die kleinen Elfentypen behalten häufig auch bis ins hohe Alter etwas Mädchenhaftes. Sie können wunderbar schmale Silhouetten und zarte Töne tragen. Aber auch in »kleiner schwarzer Strenge« geben sie eine gute Figur ab. Wenn es einen Typ Frau gibt, der das kleine Schwarze verdient hat, dann der Elfentyp. Diese Frauen haben die Kraft, einen Look so souverän zu tragen, dass sie ihr Umfeld damit verzaubern können.
    Ob die beiden einer Beschäftigung nachgingen, kann ich beim besten Willen nicht mehr sagen. Auch konnte ich das Paar nicht einordnen, ob sie alt oder schon sehr alt waren. Sie waren so einzigartig wie ihr Haus, ihr Leben und ihr Miteinander. Ich habe dem seltsamen Gespann viel zu verdanken. Weil die stetigen Aufträge mir halfen, mich langsam auf sichere Beinchen zu stellen. Wir drei waren uns über die Zeit vertraut geworden. Eine textile »Ménage-à-trois«. Der Ehemann begrüßte mich mit einer Hand und zweiter, die oben auflag. Ich mag es, die Hand gedrückt zu bekommen und die andere wird gleich oben draufgelegt, um den Bund des Vertrauens noch zu besiegeln. Egal was Menschen über Naomi Campbell sagen mögen: Sie hat bei unserem ersten Treffen ihre zweite Hand auf die meine gelegt. Da wusste ich, sie kann kein Biest sein. Zumindest nicht in diesem Moment …
    Die zarte Elfe lächelte immer etwas zu lang, damit
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