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Antonio im Wunderland

Antonio im Wunderland

Titel: Antonio im Wunderland
Autoren: Jan Weiler
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abzufangen. Er lädt Sie zu einem
    Flug in der Business Class ein.» Ich bin sprachlos. An-
    tonio und Benno ebenfalls, allerdings lassen sie sich
    das nicht so anmerken. Sie tragen die Nasen in letzter
    Zeit ein wenig zu hoch, wie mir scheint. Die Dame ver-
    wandelt unsere Sonderangebotsflugscheine in Busi-
    ness-Class-Tickets, die sie mit einem angsteinflößend
    freundlichen Lächeln überreicht.
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    In der Business Lounge schafft es Benno, alle Erd-
    nüsse zu verputzen, die sie dort am Lager haben. Wir
    sitzen eine Stunde da drin, und er macht sich ein Vergnügen daraus, immer wieder abzuwarten, bis eine
    Fachkraft das Schälchen mit den Nüssen auffüllt, um
    dann ans Buffet zu stürmen und den Inhalt in seine
    hohle Hand umzufüllen. Irgendwann sind die Nüsse
    alle, und Benno verlegt sich auf Club-Cracker. Dazu
    trinkt er Bier, das es hier kostenlos gibt. Dies löst bei
    ihm einen überirdischen Durst aus. Antonio gönnt sich
    einen Rotwein und schaut gravitätisch in die Runde.
    Offenbar sucht er jemanden, dem er erzählen kann,
    dass er reich und mit Robert De Niro befreundet ist.
    Ich hole mir eine deutsche Zeitung. Sie ist einen Tag
    alt, aber immerhin: Für mich stehen Neuigkeiten drin.
    Auf der vermischten Seite ist die Rede von einem deut-
    schen Sänger, der sich soeben auf Mallorca ein Haus
    gekauft und dort einen phantastischen Garten hat an-
    legen lassen. Das dazugehörende Bild zeigt den Sänger
    in seinem Garten, neben ihm posiert der Designer die-
    ser ausweislich der Bildunterschrift «stilvollen Oase mit
    den typischen Blumenmauresken des Designers Mauro
    Conti». Der Sänger sieht nicht so aus, als ob er wüsste,
    was Mauresken sind, aber sie scheinen ihm sehr zu ge-
    fallen.
    Ich zeige Antonio die Zeitung.
    «Hier, Mensch! Mauro ist auf Mallorca.»
    «Schön furin.»
    «Was heißt denn hier schön für ihn? Wenn wir das ge-
    wusst hätten, wären wir doch nach Mallorca gefahren.»
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    «Warum? Der kanne keine Mensch helfen. Und wen-
    ne wir nack der Mallorcada gefahre wäre, hätte wir nie
    dieser Erlebnisse gehabte.»
    Das lässt sich nicht leugnen.
    «Und was hast du jetzt vor, wegen der Altstadt meine
    ich?»
    «Nix vor. Musse die ihre Problem alleine lösen. Ibin
    nickte verantwortelick fur der Schlamassel von dieser
    Leute da.»
    «Das klang aber vor ein paar Tagen noch ganz an-
    ders.»
    Da legt er mir die Hand auf die Schulter und seinen
    rechten Zeigefinger auf seine Lippen. Ich soll schwei-
    gen. Natürlich weiß ich schon, warum. Wir beide wis-
    sen es.
    Alles was er wollte, war, seinen Lebenstraum zu ver-
    wirklichen: New York. Er brauchte mich dafür und sei-
    nen vertrauten Freund Benno. Ohne uns hätte er die
    Reise nie gemacht.
    «Und? Bist du zufrieden mit mir?», frage ich ihn.
    «Jaaa, bin sehr zufrieden. Biste ein ordentliche Cha-
    rakter. Bisschen streng mit dein Toni, aber gute
    Mann.»
    Pünktlich geht es ins Flugzeug. Unsere privilegierte
    Stellung hält an. Antonio zieht sich auf der Toilette um
    und erfreut uns sowie die anderen Gäste der Business
    Class mit seinen Bermuda Shorts und Thrombose-
    strümpfen. Antonios Rückkehr aus dem Wunderland
    beginnt.
    Benno, der auf der Heimreise am Fenster sitzen darf,
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    spielt, kaum dass er sich hingesetzt hat, an den Knöp-
    fen seines Sitzes herum und bringt ihn in eine ange-
    nehme Schlafposition. Er pennt ein, noch bevor das
    Flugzeug auf die Rollbahn fährt, und reagiert ausge-
    sprochen unwillig auf die Aufforderungen des Perso-
    nals, den Sitz vor dem Start in eine aufrechte Position
    zu bringen. Mehrere Flugbegleiter versuchen an die
    Knöpfe zu kommen, aber er hält seine Hände krampf-
    haft schützend darüber. Er wird nicht weichen. Er will
    schlafen. Auch ich versuche mein Glück, werde jedoch
    von ihm weggeschubst.
    «Lass mischin Ruh’», brummt er. Das Flugzeug
    gurkt auf dem Flughafen herum. Es kommt mir vor, als
    würden wir nach Hause fahren und nicht fliegen.
    «Benno! Mann, jetzt setz dich gerade hin.»
    «Nei-en. Isch will schla-fen.»
    Der Purser bittet noch einmal mit Nachdruck um
    Bennos Kooperation, doch der stellt sich taub und hält
    die Augen geschlossen.
    «Bitte, mein Herr! Ich muss darauf bestehen!» Er
    greift über Antonio hinweg Benno an die Schulter,
    doch der versetzt ihm einen Hieb auf die Hand. Das
    kann böse ausgehen. Ich habe keine Lust auf die Kon-
    sequenzen von Bennos Ungehorsam. Auch deutsche
    Fluglinien verhalten sich nach amerikanischen Maß-
    stäben: Wer nicht spurt,
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