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Anmutig älter werden (German Edition)

Anmutig älter werden (German Edition)

Titel: Anmutig älter werden (German Edition)
Autoren: Ruth Maria Kubitschek
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wahrscheinlich einen völlig anderen Typ, du bist viel zu kraftvoll und zu jung.«
    Zu jung, haha.
    Nun, es sollte anders kommen. Ich ging zu Probeaufnahmen nach Berlin. Der erste Mann, den ich dort kennenlernte, war Emrah Ertem, der mich jetzt schon zum zweiten Mal für eine Rolle vorgeschlagen hatte. Dann begegnete ich dem Regisseur Marcus Goller, einem noch jungen Mann mit den schönsten Augen, die ich je gesehen habe, zwischen blau und violett. Er fragte mich, ob ich bereit sei, eine weiße Perücke aufzusetzen. Diese könnte ich selbst aussuchen, denn ich sollte mich damit wohlfühlen.

    »Frau Ella« zeigt ihrem jungen Freund das Geschenk ihres Liebsten, einen Schmetterling.
    Als ich die Perücke aufhatte, kam Matthias Schweighöfer und sagte: »Sie ist es.«
    Ich machte die Probeaufnahmen und hatte ein gutes Gefühl. Obwohl meine Zähne gerade wieder einmal frisch renoviert wurden und ich ein Provisorium im Unterkiefer trug, bekam ich die Rolle. Sie führte mich zunächst nach Berlin, dann in die Bretagne und nach Paris.
    In der Bretagne spürt man noch den keltischen Ursprung. Es überraschte mich nicht, dass ich in meiner vielleicht letzten Rolle noch einmal zu den Kelten in ein anderes Land geführt wurde.
    Peter Dawkins, ein englischer Landschaftsarchitekt, der viele Bücher über keltische Kultplätze und Bräuche geschrieben hat, entdeckte, dass mein »Garten der Aphrodite« in früheren Zeiten ein keltischer Kultplatz gewesen war. Das keltische Urwissen über die Natur und der Respekt vor jedem Baum, das Einssein mit allem, was ist, faszinieren mich.
    Die Druiden, die Lehrer und Priester waren, lehrten ihre Schüler in der Natur. Das Wissen wurde nur mündlich überliefert. Da es keine Aufzeichnungen von den Kelten selbst gibt, wissen wir so wenig über diese Weisheit. Julius Cäsar hat zwar über keltische Bräuche geschrieben, doch waren diese aus seiner Sicht römisch gefärbt.
    Die Kelten hatten viele heilige Orte, die durch hohe Steine oder die erhabene Schönheit des Platzes gekennzeichnet war. Später hat die katholische Kirche auf diese heiligen keltischen Lichtplätze ihre Kirchen gebaut. Altötting, dieser große einmalige Platz, war beispielsweise ursprünglich ein keltischer heiliger Ort – um nur einen zu nennen.
    Die Natur und die Landschaft der Bretagne wirken rau, ursprünglich und unverdorben von Menschenhand.
    An einem freien Drehtag ging ich in die große Markthalle von Quimper und aß seit ungefähr zwanzig Jahren wieder Austern. Ich genoss ihren frischen Meeresgeschmack. Wie gerne habe ich in Hamburg früher Austern gegessen. Vor jeder Premiere ging ich ins »Vier Jahreszeiten«, aß am Mittag zwölf Austern und hoffte auf eine Vergiftung, damit ich abends nicht auf die Bühne müsste. Leider oder zum Glück traf ich nie eine schlechte Auster und musste jede Premiere spielen.
    Nachdem die Dreharbeiten in der Bretagne zu Ende waren, fuhren wir weiter nach Paris. Von Matthias Schweighöfer und Marcus Goller habe ich viel gelernt. Matthias sah mich manchmal mit seinen klugen Augen an und sagte: »Na ja, du kannst es besser, noch mal.« Jede Szene wurde so lange gedreht, bis ich den beiden Herren gefiel. Marcus meinte, mein Spiel müsse ihn berühren, dann werden sich auch die Menschen im Kino von dieser alten »Frau Ella« rühren lassen.
    Es war eine meiner schwierigsten Arbeiten, aber ich hatte die herzliche Unterstützung der Produktion und aller Mitarbeiter. Jetzt, wo ich das schreibe, spüre ich, dass sie mir alle fehlen.
    Während der Drehzeit fühlte ich mich wie so viele alte Frauen, die krank, arm und einsam vor sich hin leben. Keine Verwandten oder Freunde sind ihnen geblieben. Sie haben nur noch rückwärtsgerichtete Träume. Als »Frau Ella« wollte ich zeigen, dass in ihr noch eine innere Neugier, eine Kindlichkeit lebendig geblieben ist, die in dem Moment erwacht, als der junge Mann sie aus dem Krankenhaus entführt und sie den frischen Wind der Jugend wieder spürt. Nur, welcher alten Frau begegnet so ein entzückender junger Mann wie Matthias Schweighöfer?
    Ich träumte noch lange von der Rolle. Als ich schon wieder eine ganze Zeit zu Hause war und bewusst in den Spiegel schaute, war ich entsetzt: Ich sah aus wie »Frau Ella«, nicht wie ich.
    Außerdem hatte ich noch den fünf Zentimeter weißen Haaransatz, der Rest meiner Haare war etwas orange. Nein, bei aller Liebe zu meinem Alter. Das geht nicht! Farbe drauf, durchatmen … Nun bin ich wieder die
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