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Ankunft Der Woelfe

Ankunft Der Woelfe

Titel: Ankunft Der Woelfe
Autoren: Mo , Sue Twin
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Herz hoch und strich behutsam mit dem Zeigefinger darüber. »Zum Abschluss der heutigen Vorlesung möchte ich Sie noch kurz auf das Thema der nächsten Stunde einstimmen. Das Herz. Es sieht ein wenig wie ein riesiger Avocadokern aus. Finden Sie nicht auch?« Sie blickte den einzigen Studenten an, der ihr die ganze Zeit aufmerksam zugehört hatte.
    »Frau Doktor, haben Sie heute Abend schon etwas vor? Das würde ich gerne bei einem Glas Wein vertiefen«, sagte er und lächelte. Die anderen Studenten grölten.
    Eva blinzelte und überging seinen Flirtversuch. »Beachten Sie die Farbunterschiede, den bläulichen Ton der linken Herzkammer und den rosafarbenen der rechten.« Verstohlen blickte sie zur Uhr an der Wand. »So, Schluss für heute. Eines hätte ich allerdings noch gerne gewusst. Ist jemandem von Ihnen irgendetwas an diesem Herzen aufgefallen?«
    Die unruhig mit den Füßen scharrenden Studenten senkten die Köpfe.
    »Nun gut, dann helfe ich Ihnen auf die Sprünge. Dieses Herz stammt von einem Hund.«
    Ein Raunen ging durch die Gruppe.
    »Meine Damen und Herren, Sie wollen Rechtsmediziner werden. Dann dürfen Sie sich kein X für ein U vormachen lassen. Bis nächste Woche erarbeiten Sie mir bitte schriftlich die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede zwischen den Herzen von Hunden und Menschen. Damit sind Sie für heute entlassen.«
    Sie vermied es, den flirtenden Studenten noch einmal anzusehen, und legte das Präparat behutsam zurück in die Kiste aus Plexiglas. Der Deckel schnappte zu. Die Karte, die ihr den Zugang zum Zentralcomputer ermächtigt hatte, sprang heraus. Sie warf die Vinylhandschuhe in den Mülleimer und schaltete die Multimediaanlage mit dem Videobeamer aus.
    Mit lautem Getöse waren die Studenten gegangen. Auch ihr studentischer Verehrer war nirgends mehr zu sehen. Erleichtert schlug Eva den Weg zu den Lehrmitteln und Präparaten ein. Ihre Wangen glühten noch immer.
    Kurze Zeit später erreichte sie den Raum für die Lehrmittel, verstaute das Herzpräparat im Regal und ging weiter zu den Sektionssälen.
    Der weiß gekachelte Raum empfing sie mit der Kühle der Klimaanlage. Sie atmete kurz durch und öffnete die Schublade an einem Wandschrank, um ein frisches Paar Nitrilhandschuhe herauszuziehen. Puder verteilte sich als feine Staubwolke in der Luft, während sie an dem blauen Material zupfte.
    Nachdenklich betrachtete sie ihre blassen Hände, ohne die Handschuhe anzuziehen. Alabasterfarben pflegte ihr Vater zu sagen. Zu viel Sonne macht Hautkrebs . Sie schüttelte den Kopf. Für Urlaub hatte sie schon so lange keine Zeit mehr gehabt. Sie hatte einen scheinbar aufstrebenden Lebenslauf hinter sich. Studium in Rekordzeit. Assistenzjahr. Dann vor zwei Jahren eine Stelle in der Hirnforschung am Institut für Neuropathologie. Doch ihr war nicht bewusst gewesen, wie eng die Privatklinik ihres Vaters mit der Charité zusammenarbeitete. Die Kliniken bildeten Teams in denselben Forschungsprojekten. Und das bedeutete, mehr unter der Fuchtel ihres Vaters zu sein. Also war sie in die Herzchirurgie geflüchtet. Doch wieder war es eine Sackgasse. Ein Kind war gestorben. Die Ärzte traf keine Schuld. Doch sie konnte das Sterben nicht ertragen, war nicht darauf vorbereitet gewesen. Traurig schüttelte sie bei der Erinnerung den Kopf. Die Rechtsmedizin wäre die Lösung für ihren Kummer. Da waren die Menschen schon tot. Sollte sie noch einmal wechseln? Seit einigen Tagen half sie hier als Gastdozentin aus. Wenn sie eine Stelle bekäme, müsste sie die Chance ergreifen.
    Das Smartphone vibrierte in ihrer Kitteltasche.
    Sie legte die Schutzhandschuhe auf die Ablage und nahm das Gespräch an.
    »Ja?«
    »Doktor Palmer?«
    »Am Apparat.«
    »Hier ist Doktor Bahadur Singh. Ich wollte nur wissen, wie Ihre Vertretungsstunde mit den Studenten gelaufen ist. Und mich dafür bedanken, dass Sie so spontan eingesprungen sind. Gott sei Dank hatten Sie bei Ihren engen Dienstplänen in der Herzchirurgie Zeit für den Vortrag. Ich hoffe, es hat Ihnen keine Umstände gemacht.«
    »Danke, es ist nett, dass Sie nachfragen. Ihre Studenten sind wirklich sehr liebenswert.«
    »Da bin ich erleichtert.« Singh machte eine Pause. Eva konnte hören, wie er sich leise räusperte. »Haben Sie auch daran gedacht, dass noch Sonderermittler Cube mit mir reden wollte? Er wollte unbedingt einen erfahrenen Rechtsmediziner und keinen Studenten oder Assistenten sprechen. Aber das schaffen Sie sicher spielend. Und sprechen Sie seinen Namen bitte
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