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Angst über London

Angst über London

Titel: Angst über London
Autoren: Jason Dark
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musste unter einem gewaltigen Schock stehen.
    »Fassen Sie mal mit an!« forderte ich den Feuerwehrmann auf.
    Er half mir.
    Gemeinsam zogen wir die Frau unter den Trümmern hervor, wo Helfer sie in Empfang nahmen. Wir machten weiter.
    Doch bald schafften wir es nicht mehr, mit den Schaufeln und Hacken allein voranzukommen. Da mussten Räumer heran, um Schutt wegzudrängen. Die ersten waren schon da. Wir wurden zurückbeordert.
    Man hatte inzwischen einen gewaltigen Absperrkreis eingerichtet, den niemand durchbrechen durfte. Hinter dem Ring stauten sich die Gaffer.
    Die Polizei hatte große Mühe mit den Menschen, denn es hatte sich blitzschnell herumgesprochen, was geschehen war. In dem eingestürzten Haus wohnten zahlreiche Leute, die jetzt gekommen waren, um mehr über das Schicksal der Verunglückten zu erfahren.
    Ich hatte Freunde dort.
    Suko und Shao.
    Vorhin, während der Arbeit, hatte ich nicht an sie denken können, doch jetzt fielen sie mir wieder ein. Die Chancen standen fünfzig zu fünfzig.
    Hatten sie überlebt - oder waren sie tot?
    Wenn ich an die letzte Möglichkeit dachte, wurde mir schwindlig.
    Ich wusste nicht, was ich ohne sie…
    Nein, ich dachte nicht weiter.
    Die Räumgeräte schafften viel weg. Mit den gewaltigen Schaufeln fuhren sie den Schutt zur Seite. Dabei, mussten die Männer achtgeben, dass sie verletzte Menschen mit ihren Maschinen nicht töteten.
    Die Leute vom Katastropheneinsatz arbeiteten vorbildlich. Sie holten zahlreiche Opfer aus den Trümmern.
    Leider auch Tote…
    Ganz in meiner Nähe waren zwei Männer dabei, eine tote Frau aus den Trümmern zu bergen. Sie lag eingeklemmt unter einem Träger, der erst von einer Maschine mit Greifer angehoben werden musste. »Ja, jetzt geht es!«, rief einer der Männer.
    Sie zogen die Frau hervor.
    Zuerst sah ich das lange, schwarze Haar. Es war blutverschmiert, dann die Hose, die ich schon einmal gesehen hatte. Heute morgen. Shao hatte sie getragen… Shao!
    Himmel! Erst jetzt wurde mir die gesamte Tragweite dieser Entdeckung bewusst. Ich rannte auf die beiden Männer zu, die Shao bereits auf eine Trage gelegt hatten. Neben ihr ging ich in die Knie.
    Ja, es gab keinen Zweifel. Ich hatte Shao, die Chinesin, vor mir.
    Und sie war tot - tot!
    Tot, tot! Das eine Wort pochte und hämmerte in meinem Schädel. Shao lebte nicht mehr. Ich sah noch das Entsetzen in ihren Augen, die ich langsam schloss.
    Ich konnte nicht vermeiden, dass das Würgen in meiner Kehle stärker wurde. Mit den Fingerspitzen strich ich über ihre Wangen. Ein letztes Abschiedsnehmen, mehr nicht…
    »Sie müssen den Platz räumen, Mister!« hörte ich neben mir eine Stimme.
    »Ja.« Ich stand auf. Ein paar Schritte ging ich zur Seite. Ich konnte gar nicht hinsehen, wie sie Shao wegschafften. Dort, wo sie gelegen hatte, arbeiteten Männer bereits weiter. Sie holten die nächsten Toten oder Verletzten aus den Trümmern.
    Die nächsten?
    Mein Gott, da war noch Suko. Er und Shao wohnten zusammen. Wenn Shao tot war, dann…
    Plötzlich hatte ich das Gefühl, mein Herz würde stehen bleiben. Die Männer bargen soeben einen Mann. Einen fremdländisch aussehenden.
    Einen Menschen, den ich gut kannte.
    Suko!
    Er musste dicht neben Shao gelegen haben. Lebte er noch? Wieder hielt mich nichts. Ich lief hin, sah das Blut, die verdrehten Glieder und wusste Bescheid. Auch Suko war tot!
    Shao und Suko. Zwei Freunde hatte ich in diesen Minuten verloren. Ich wusste nicht mehr, was ich machen sollte. Am liebsten hätte ich mich irgendwo verkrochen. In meinem Schädel rauschte es. Mich schwindelte, und ich merkte, wie mich jemand stützte.
    »Ist Ihnen nicht gut?« hörte ich die Frage. »Doch, doch, es geht.«
    Ich fing mich wieder, biss die Zähne zusammen und konnte doch nicht vermeiden, dass meine Augen feucht wurden.
    Sie waren gemeinsam gestorben. Unter den Trümmern des Hauses, in dem sie gelebt hatten.
    Ich sah, wie Suko abtransportiert wurde. Einen letzten, abschied nehmenden Blick warf ich ihm zu. Verdammt, ich war so hilflos, in meinem Innern schien etwas zu zerbrechen.
    Ich hatte plötzlich das Gefühl, von allen verlassen zu sein. Völlig allein stand ich auf der Welt. Bisher hatte ich Glück gehabt, doch nun schlug das Schicksal erbarmungslos zu.
    War es wirklich nur das Schicksal? Oder hatte man es manipuliert?
    Griffen hier nicht Kräfte ein, die mit dem menschlichen Verstand nicht zu erfassen waren?
    Ja, so musste es sein, anders konnte ich es mir gar nicht vorstellen.
    Mit
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