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Angélique - Hochzeit wider Willen

Titel: Angélique - Hochzeit wider Willen
Autoren: A Golon
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dachte Angélique, ich habe noch nie gehört, wie jemand einen hohen Kirchenmann derart unverschämt angeht!
    Sie schaute zwischen den beiden Männern hin und her, die einander durchdringend anstarrten. Ihr Mann schien ihre Verwirrung als Erster zu bemerken. Er schenkte ihr ein Lächeln, das sein Gesicht in eigentümliche Falten legte, aber strahlend weiße Zähne enthüllte.
    »Vergebt uns, Madame, dass wir in Eurer Gegenwart so debattieren. Aber Monseigneur und ich sind Intimfeinde!«
    »Kein Mensch ist mein Feind!«, empörte sich der Erzbischof. »Schließlich wohnt im Herzen jedes Gottesdieners christliche Nächstenliebe! Ihr mögt mich hassen, doch ich hasse Euch nicht. Aber ich empfinde Euch gegenüber die Sorge eines Hirten um ein verlorenes Schaf. Und wenn Ihr nicht auf meine Worte hört, werde ich die Spreu schon vom Weizen zu trennen wissen.«
    »Ah!«, rief der Graf mit einem furchteinflößenden Lachen aus. »Da spricht aus Euch der Erbe jenes Foulques de Neuilly, Erzbischof und rechte Hand des schrecklichen Simon de Montfort, der die Scheiterhaufen für die Albigenser aufgerichtet hat und die feinsinnige Kultur Aquitaniens in Flammen aufgehen ließ! Nach vierhundert Jahren beweint das Languedoc noch immer die zerstörte Herrlichkeit und zittert angesichts der Erzählungen, die das Entsetzliche beschreiben. Ich, der ich von der ältesten Toulouser Abstammung bin und ligurisches und westgotisches Blut in meinen Adern habe, erschauere, wenn ich in Eure blauen Augen eines Mannes aus dem Norden sehe. Erbe von Foulque, Erbe der ungehobelten Barbaren, die bei uns die Sektiererei und Intoleranz eingeführt haben, ja, das lese ich in Euren Augen!«

    »Meine Familie gehört zu den ältesten Familien des Languedoc«, brüllte der Erzbischof und richtete sich halb auf. Sein südfranzösischer Akzent schlug so stark durch, dass Angélique ihn kaum verstehen konnte. »Ihr dreistes Ungeheuer, Ihr wisst ganz genau, dass mir durch mein Erbe die Hälfte von Toulouse gehört. Seit Jahrhunderten liegen unsere Lehnsgüter in Toulouse.«
    »Vierhundert Jahre! Gerade einmal vierhundert Jahre, Monsieur«, rief Joffrey de Peyrac, der jetzt ebenfalls aufgesprungen war. »In den Trosswagen des Simon de Montfort seid Ihr hergekommen, zusammen mit den abscheulichen Kreuzfahrern. Ihr seid hier der Usurpator! Nordmann! Nordmann! Was habt Ihr an meiner Tafel zu schaffen?«
     
    Angélique fragte sich entsetzt, ob gleich eine allgemeine Prügelei ausbrechen würde, als die Gäste die letzten Worte des Toulouser Grafen mit lautem Gelächter quittierten. Das Lächeln des Erzbischofs war weniger aufrichtig. Doch als Joffrey de Peyrac jetzt seine mächtige Gestalt beugte und sich zum Zeichen, dass er um Vergebung bat, vor dem Geistlichen verneigte, streckte dieser ihm gutmütig seine Hand hin, damit er den Bischofsring küsste.
     
    Angélique war zu verdutzt, um vorbehaltlos in die allgemeine Heiterkeit einzustimmen. Die Worte, welche die beiden Männer sich soeben an den Kopf geworfen hatten, waren keine Kleinigkeit gewesen; und man wusste ja, dass bei den Menschen aus dem Süden das laute Lachen auch sehr rasch in eine Tragödie umschlagen konnte. Mit einem Mal spürte Angélique wieder den glühenden Überschwang, mit dem Fantine, die Amme, ihre Kindheit erfüllt hatte. Dadurch würde sie sich in dieser impulsiven Gesellschaft nicht fremd fühlen.
    »Stört Euch der Tabakrauch, Madame?«, fragte der Graf
unvermittelt, neigte sich zu ihr herüber und versuchte, ihren Blick aufzufangen.
    Sie schüttelte den Kopf. Das zarte Aroma des Tabaks verstärkte ihre Melancholie, denn es erinnerte sie daran, wie der alte Guillaume in der großen Küche von Monteloup in der Ecke am Kamin gesessen hatte. Der alte Guillaume, die Amme, all diese vertrauten Menschen waren auf einmal in weiter Ferne.
    Hinter den Bäumen begannen Geigen zu spielen. Obwohl Angélique sterbensmüde war, stand sie hastig auf, als der Marquis d’Andijos sie zum Tanz aufforderte. Die Tänzer hatten sich auf einem großen, gepflasterten Hof eingefunden, wo ein Springbrunnen Kühle spendete. Im Kloster hatte Angélique so viele modische Schritte erlernt, dass sie unter den Herren und Damen einer äußerst mondänen Provinz, von denen die meisten sich oft lange in Paris aufhielten, nicht in Verlegenheit geriet. Zum ersten Mal tanzte sie auf einem richtigen Ball, und sie begann gerade Freude daran zu finden, als es zu einer Art Aufruhr kam. Die Paare wurden von einer
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