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Anatomie

Anatomie

Titel: Anatomie
Autoren: Bass jefferson
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war ich mir nicht mal sicher, ob ich diese Fragen denn für mich beantworten konnte. Wer war ich, tief im Innern, und was für ein Leben führte ich? Lehrer, Wissenschaftler, forensischer Berater. Witwer, Vater, Sohn. Akademiker mit überwiegend sitzender Lebensweise, unversehrt von den Wirren des Lebens – zumindest was die Knochen anging. Allzu viel kam bei dieser Beschreibung nicht heraus.
    Meine innere Inventur wurde unterbrochen von dem Knirschen von Reifen auf dem Kies in der Einfahrt. Ein Jeep Cherokee mit dem vertrauten Emblem des Sheriffs von Cooke County hielt auf der Lichtung. Fahrer- und Beifahrertür gingen auf, und zwei in Khaki gekleidete Beamte stiegen aus. »Ihre Sekretärin hat mir gesagt, dass Sie hier sind«, sagte eine vertraute Stimme. »Konnte mir doch die Gelegenheit nicht entgehen lassen, die Einrichtung hier endlich mal zu besuchen.«
    Ich stand auf und schüttelte Jim O’Conner die Hand. »Hey, Sheriff. Ich habe von der Nachwahl gehört. Gratuliere. Steht Ihnen gut, die Uniform. Und Ihnen auch, Waylon.« Der stämmige Bergmensch hatte seine Tarnklamotten gegen die Uniform eines Deputys eingetauscht, die größte, die ich je gesehen hatte. Waylon schenkte mir ein tabakfleckiges Grinsen. Manche Dinge ändern sich nie, dachte ich.
    O’Conner schob seinen Gürtelholster zurecht und nahm lachend die Pose des harten Gesetzeshüters ein. »Fühlt sich immer noch irgendwie seltsam an – ich bin nach wie vor versucht, mich selbst zu verhaften, weil ich mich als Beamter ausgebe. Ist lange her, dass ich eine Uniform getragen habe; damals, als ich aus dem Militär entlassen wurde, habe ich mir geschworen, nie wieder. Das beweist nur: Sag niemals nie.«
    »Ich sage niemals nie«, sagte ich. »Übrigens, ich hatte keine Gelegenheit, beim Gottesdienst mit Ihnen zu reden, aber ich fand ihn schön, ich meine, in Anbetracht der Tatsachen. Angesichts Ihrer Geschichte mit der Familie war es sehr großzügig von Ihnen, für die Beisetzung der drei Familienmitglieder aufzukommen. Es war auch nett von Ihnen, dass Sie neben dem Grabstein der Eltern einen Grabstein für Leena aufgestellt haben.« Die Kriminalpolizei hatte Leenas postkraniales Skelett nie gefunden, obwohl sie die Büros des Sheriffs und sämtliche Häuser der Kitchings durchsucht hatten. Das Wenige, was wir von ihr hatten – Schädel, Zungenbein und Brustbein –, war in einer kleinen Keramikurne beigesetzt worden, die Jim O’Conner aus Ton von einem seiner Berge getöpfert hatte.
    »Glauben Sie, wir finden je den Rest von ihr?«, fragte O’Conner.
    »Ich weiß es nicht, Jim. Zuerst dachte ich, Tom oder Orbin hätten die Knochen genommen, dann war ich mir sicher, ihr Diebstahl sei Teil von Williams’ Plan, den Sheriff wegen Behinderung der Justiz zu belasten.« Er nickte; beides hätte möglich sein können. »Inzwischen jedoch habe ich den Verdacht, dass sie zusammen mit einem anderen Skelett vom Medical Examiner von Knox County – dem ehemaligen Medical Examiner, um genau zu sein – gestohlen wurden. Vielleicht war der Diebstahl von Leenas Knochen als Ablenkungsmanöver gedacht. Vielleicht auch nur, um es mir heimzuzahlen. Er hat mir gedroht, ich hätte nicht das letzte Mal von ihm gehört, und ich fürchte, er hat recht. Aber wenn wir Leenas Knochen je finden, werden Sie der Erste sein, der’s erfährt.«
    »Ich habe die Grabstelle auf der anderen Seite von ihr gekauft«, sagte er. »Ich hoffe, ich brauche sie noch eine ganze Weile nicht, aber in Cooke County scheint Sheriffs oft ein frühzeitiger und gewaltsamer Tod zu ereilen.«
    »Ich wette, Sie sind die Ausnahme von dieser Regel, Jim.«
    »Hoffen wir, dass Sie recht haben. Hören Sie, ich wollte, dass Sie das von mir persönlich erfahren. Leon Williams und sein Anwalt – irgend so ein aalglatter Typ aus Knoxville namens DeVriess – haben gerade mit dem U.S. Attorney einen Handel abgeschlossen.« Ich verzog das Gesicht, als er DeVriess erwähnte, aber wenn ich in Deputy Williams’ Haut steckte, hätte ich mich wahrscheinlich auch an den Fiesen gewandt. »Leon erklärt sich in Toms Fall des Totschlags und in Orbins Fall des Mordes für schuldig; dafür entgeht er einer potenziellen Verurteilung zum Tode. Er hat auch zugegeben, den vorigen Sheriff vor drei Jahren bei der Drogenrazzia erschossen zu haben. Anscheinend hat er schon vor einer ganzen Weile einen Plan gegen den Kitchings-Clan ausgeheckt, um Sheriff zu werden.«
    »Irgendeine Chance auf bedingte Haftentlassung?«
    »Nicht
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