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Analog 01

Analog 01

Titel: Analog 01
Autoren: Hans Joachim Alpers , Hans Joachim (Hrsg.) Alpers
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ist. An einer Glasoberfläche. Ein Netz in einem Terrarium … in einer Spinnensammlung. Meiner Spinnensammlung! Ich erkenne die Ätzung der Glasoberfläche und die Futterklappen.“
    Ah, dachte der wie die anderen halb hypnotisierte Quentin Thomas, ein Spinnennetz: diese Meisterleistung der Natur. So wunderschön und doch so tödlich. Eine logarithmische Spirale, die am Perimeter beginnt und bis ins Zentrum verläuft. Die Jägerin behält einen konstanten Abstand bei, indem sie mit einem Bein Maß nimmt. Gab es nicht auch eine Studie, in der jemand (Sternlicht?) die Zahl e , die Basis aller natürlichen Logarithmen, bis auf drei Dezimalstellen genau hatte berechnen können, indem er mehrere Netze der Kugelweberspinne nachgemessen hatte? Wie man die Zahl Pi bestimmen konnte, indem man Stäbe in einen Parkettboden stecken und dann die Winkel an den Kanten der Planken nachmessen kann. Die seltsame, unausweichliche Mathematik der Natur.
    Plötzlich bewegte sich etwas im Netz. Gigantische Beine. Ein riesiger Kopf. Ein Hinterleib wie der eines Elefanten.
    Frauen begannen zu kreischen. Alles flüchtete panisch zur Tür des Gerichtssaals.
    „Meine Damen und Herren“, dröhnte Faust, „gehen Sie, wenn Sie wollen. Aber es besteht für das Publikum kein Grund zur Besorgnis. Das ist nur eine Projektion. Eine ins Riesenhafte vergrößerte Spinne, die Ihnen allerdings nichts tun kann.“
    Einige gingen. Andere wandten sich wieder um und sahen zu.
    „Es ist … Atropos ?“ murmelte Speyer. „Wie ist das möglich?“ Er betrachtete Faust. „Vollbringen Sie das? Können Sie es erklären?“
    „Richter“, antwortete Faust, „ich bin hierfür verantwortlich, und ich kann es tatsächlich erklären. Es ist, wie ich schon sagte, eine Projektion. Wie Sie bereits erkannten, ist es eine Projekti on des Glasgehäuses Ihrer Lieblingsspinne Atropos. Gleichzeitig ist es eine Projektion der Zukunft, wenn auch einer sehr nahen Zukunft. Vergleichbar mit meiner Projektion aus dem Sitzungssaal des Obersten Gerichts. Aber die hier gezeigten Ereignisse werden in weniger als einer Stunde stattfinden.“ Die Maschine schwieg. Und in diesem Augenblick wurden die Rollen von Inquisitor und Verhörtem vertauscht. „Jetzt ist doch ihre norma le Fütterzeit, oder?“
    „Mehr oder weniger“, antwortete Speyer.
    „Drei Fliegen?“
    „Im allgemeinen.“
    „Und die kleinen dummen Geschöpfe fliegen direkt in ihr Netz?“
    „Ja.“
    „Und die Welt ist ohne diese drei Insekten besser dran?“ fuhr Faust fort.
    „Natürlich“, pflichtete Speyer bei.
    „Also ist Atropos die Ausführende eines sozialen Aktes?“
    „Richtig“, sagte der wie hypnotisierte Richter.
    „O nein!“ stöhnte Quentin Thomas. Er erkannte als erster, was sich hier anbahnte. Er wandte sein vom Entsetzen entstelltes Gesicht Faust zu. „Tu das nicht!“ bat er.
    Faust ignorierte ihn.
    Speyer schien sich zumindest teilweise wieder von dem Bann erholt zu haben, den die Projektion und das Gespräch mit Faust über ihn gebracht hatten. Er klopfte mit seinem Hammer auf den Tisch. „Schweigen Sie, Mr. Thomas! Ich möchte alles sehen. Ah ja. Und da sind sie. Ich bin zu Hause und füttere meinen kleinen Freund.“
    „Du Narr“, stöhnte Quentin Thomas. „Du Narr.“
    Da waren auch schon drei schwarze Pünktchen sichtbar, die im Netz zappelten.
    „Da sind sie ja“, rief Speyer. „Jetzt kommt der beste Teil.“ Er sah hinüber zu Faust. „Könnten Sie nicht eine Vergrößerung herstellen?“
    „Doch.“
    Einer der schwarzen Punkte in dem Netz kämpfte gegen die Fäden an, aber jede Bewegung verstrickte ihn nur noch tiefer darin.
    Speyer beugte sich nach vor. Seine Augen traten aus den Höhlen. Dann stöhnte er. „Aber das ist ja gar keine Fliege ! Das ist ein Mensch. Ich sehe ein Gesicht. Das ist … Mr. Kull!“
    Jethro Kull, der am Anklagetisch neben seinem Anwalt, Mr. Ordway, saß, schnellte zum Richterstuhl nach vorn.
    Betrogen und trotzdem verspielt, dachte Thomas. Kann nicht sagen, daß er mir leid tut.
    Die erstaunten Gesichter beobachteten, wie die Szene sich veränderte. Der nächste Punkt im Netz kam ins Bild. Vergrößerung und Schärfe waren exzellent. Das Gesicht war deutlich zu sehen. Es war Ordway, und auch er war gefangen und kämpfte verzweifelt.
    „Mein Gott!“ kreischte der richtige Ordway im Gerichtssaal. „Nein! Nein!“ Er sprang auf.
    Aber die Szene veränderte sich nochmals. Wieder sahen sie die Spinne – wenigstens Teile von ihr. Sie schien
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