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Amnion 5: Heute sterben alle Götter

Amnion 5: Heute sterben alle Götter

Titel: Amnion 5: Heute sterben alle Götter
Autoren: Stephen R. Donaldson
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ihr, ich habe Dios empfohlen, daß er sich wenigstens von ihr verabschieden soll.
    Angus hatte es ihm nahegelegt?
    Morn kämpfte gegen das Übermaß des Wehs an und las auch den Rest.
    Ich kann unmöglich behaupten, Sie zu kennen, Morn. Nicht einmal im entferntesten kann ich mir vorstellen, wieviel Schmerz und Furcht Sie erdulden mußten, oder die Weise, wie sich Ihr Leben dadurch verändert hat. Aber ich habe Davies und Bryony Hyland gut gekannt. Ich weiß, daß Sie die Tochter zweier hervorragender VMKP-Mitarbeiter sind. Der Großteil Ihrer Familie hat mit Mut, Entschlossenheit und ehrenhaft in der VMKP gedient. Ich vermute, daß Sie sich stets als Ihrer Familie unwert empfunden haben.
    Die Tragödie Ihres Hyperspatium-Syndroms muß für Sie ein sehr schrecklicher, schmerzvoller Einschnitt gewesen sein. Vielleicht haben Sie darin einen Beweis des Unwerts gesehen. Aber Ihren Eltern hätte die Erkrankung nur Kummer verursacht, sie hätten sie Ihnen nicht zum Vorwurf gemacht. Und ich bin mir sicher, sie wären unverrückbar stolz auf Sie gewesen.
    So wie ich es bin.
    Morn Hyland, durch Sie ist mein Idealbild, wie ein Polizist oder eine Polizistin sein soll, traumhaft bewahrt worden.
    Ich hoffe, Sie geben sich die Chance, Ihre Erlebnissen zu verwinden und zu genesen. Min Donner wird Ihnen helfen, so wirksam sie es kann. Und ebenso Koina Hannish.
    Egal, was Sie künftig tun, Sie haben mein Wohlwollen.
    Adieu.
    ENDE DER NACHRICHT
     
    Nun widerstanden die Dämme in Morns Gemüt nicht mehr, und eine Flut von Tränen schoß ihr aus den Augen, schwemmten sie fort in ein Meer trostlosen, erstickendsten Grams. Indem sie schrie wie ein verwaistes, verlassenes Kind, hämmerte sie mit den Fäusten auf die Tastatur des Computerterminals, auf ihre Schenkel und Oberarme. Die Realität des Mensch- und Vergänglichseins holte sie ein, ohne daß sie den Schutz der Zonenimplantate genoß: tiefster Schmerz, das krasse Gegenteil der geistigen Klarheit des Hyperspatium-Syndroms. So heftiges Schluchzen entrang sich ihr, daß sie meinte, es zerrisse ihr die Kehle; sie verkrampften ihr die Muskulatur des Brustkorbs wie Spasmen des Ekels.
    Sie weinte um ihre Eltern und ihre Familie. Sie weinte wegen all dessen, was Angus ihr zugefügt hatte – und über ihre Feigheit, die sie dazu verleitet hatte, von ihm das Zonenimplantat-Kontrollgerät anzunehmen. Sie weinte um der Lügen willen, mit denen sie Nick Succorso irregeführt hatte. Sie weinte, weil Davies unter Nicks berechtigtem Zorn hatte leiden müssen. Sie weinte über Angus’ Unifikation. Ebenso brachten Mikka Vasaczks grimmige Courage und Min Donners Entschlossenheit sie zum Weinen. Schließlich weinte sie auch um die Toten: den armen Sib Mackern, der sich im Asteroidenschwarm trotz aller Furchtsamkeit zum Schutz der Posaune allein aufgeopfert hatte; den ruhigen, einsamen Vector Shaheed, den ›Retter der Menschheit‹; um Ciro Vasaczk, der Sorus Chatelaines Vorbild bis zum bitteren Ende gefolgt war; und um Warden Dios, den letzten VMKP-Polizeipräsidenten, der Morn benutzt hatte, um der Menschheit den Weg in eine andere Zukunft zu ebnen – und voller Stolz auf sie gewesen war, als er in den Tod ging.
    Sie weinte lange Zeit.
    Doch als die seelische Aufgewühltheit endlich abklang, bemerkte sie plötzlich etwas, das sie bisher nicht erkannt hatte.
    Sie konnte es alles ertragen. Sie war stark genug. Weil sie es sein mußte.
    Infolge der Nachwirkungen eines solchen Tränenstroms torkelte sie beinahe, während sie die Hygienezelle aufsuchte, um sich das Gesicht zu säubern. Doch statt es zu waschen, tauchte sie das Gesicht in vakuumgekühltes Wasser und ließ sich durch die Kälte läutern, bis die Eisigkeit ihr mehr oder weniger in den Normalzustand zurückverhalf; ihr Inneres einigermaßen beschwichtigte. Beim Haaretrocknen blickte sie in den Spiegel, betrachtete ihr Abbild, als wollte sie sich die eigenen Gesichtszüge einprägen; sich davon überzeugen, daß sie ihr gehörten.
    Und am Schluß stellte sie fest, daß sie sich in die Augen sehen konnte.
    Sobald das Haar trocken war, zog sie eine frische Montur an. Dann öffnete sie die Tür und verließ die Dienstwohnung, ging hinaus und der Zukunft entgegen.

 
HASHI
     
     
    ABSCHLUSS: AUSZÜGE AUS DEN PRIVATAUFZEICHNUNGEN HASHI LEBWOHLS, DIREKTOR DER ABTEILUNG DATENAKQUISITION DER VEREINIGTE-MONTAN-KOMBINATE-POLIZEI
    (Diese Teile der Aufzeichnungen datieren drei Tage nach der Wiedereinsetzung Hashi Lebwohls zum Direktor der Abteilung
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