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Amnion 5: Heute sterben alle Götter

Amnion 5: Heute sterben alle Götter

Titel: Amnion 5: Heute sterben alle Götter
Autoren: Stephen R. Donaldson
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allgemeinen ist die Wahrheit unschöner, als sie es glaubt. Sorgen Sie dafür, daß Sie sich Ihren Rat anhört. Verlassen Sie sich auf Ihre Betrachtungsweise. Aber unterstützen Sie sie, wenn sie Ihre Ratschläge nicht annimmt.
    Genauso hat sie es mir gegenüber gehalten. So wie Sie. Und sie wird Sie ebenso dringend brauchen, wie ich Sie gebraucht habe.
    Ein seltsamer Vorschlag. Ich wäre darüber betrübt und über den Mann, dem er in den Sinn gekommen ist –, empfände ich das Ansinnen nicht zur gleichen Zeit als außerordentlich faszinierend. Mit welcher Begründung soll es zu rechtfertigen sein, daß die Menschheit – oder in diesem Fall, in ihrer Vertretung, Min Donner – einen Mann braucht, der sich normalerweise durch die Frage nach ›Wahrheit‹ nicht ablenken läßt? Unterstellt man, daß die respekteinflößende Min Donner den Typus von Polizist verkörpert, der Warden Dios gerne geworden wäre, dürfte ich wohl als Inbegriff der Sorte Polizist einzustufen sein, die er wirklich gewesen ist. Wie ist es erklärlich, daß das eine nicht das andere ausschließt?
    Mit dieser Unklarheit habe ich mich, obschon lediglich indirekt, an Polizeipräsidentin Donner persönlich gewandt. Ich erkundigte mich bei ihr, welches Verhältnis sie zu den Amnion, nachdem unsere Beziehungen zu ihnen jetzt ein wenig belastet sind, einzunehmen beabsichtigte. In ihrer typisch feindseligen Art – feindselig wenigstens, soweit es mich betrifft – gab sie mir die Antwort: »Ich sage ihnen die volle Wahrheit. Halte mich aufs Wort an jede Vereinbarung, die ich mit ihnen eingehe. Und wenn sie nicht das gleiche tun, sollen sie es mit Blut büßen und bitter bereuen.«
    Zumindest erläuterte sie mir anschließend, was sonst nicht ihre Gewohnheit ist, diese ziemlich extravagante Philosophie. »Denken wir zum Beispiel an Kassafort. Hätten Sie und Warden Dios – und der gute, alte Godsen Frik – die Sache mir überlassen, hätte ich keine verdeckte Aktion angeordnet. Die Duldung der Schwarzwerft hat gegen den mit uns abgeschlossenen Vertrag verstoßen, also war sie das Problem der Amnion. Ich hätte sie aufgefordert, daß sie den gesamten Planetoiden zerstören sollen – und es selbst getan, wären sie dazu nicht bereit gewesen. Natürlich hätte ich ihnen eine Frist gesetzt. Und wären sie der Forderung nicht nachgekommen, hätte ich meine Warnung wahrgemacht, eine Flottille hingeschickt und Thanatos Minor zu Staub zerpulvert. Und dann hätten sie es mal wagen sollen, dagegen zu protestieren.«
    Ihre Miene wirkte, als ob sie mich von oben herab verächtlich angrinste, aber ich halte es nicht für ausgeschlossen, daß sie ganz einfach zu lächeln versuchte. »Es kann sein, so etwas hätten sie kapiert. Wie Sie selbst einmal erwähnt haben, widerspricht es ihrer genetischen Identität, Unaufrichtigkeit zur Grundlage ihres Handelns zu machen. Daß wir Falschheit betreiben, ist einer der Gründe, warum sie uns am liebsten ausmerzen möchten.«
    Offen gestanden, mir war auch danach zumute, ›dagegen zu protestieren‹. Jede Faser meines Wesens bäumt sich gegen derartige Starrköpfigkeit auf. Und doch muß ich notgedrungen die Möglichkeit einräumen, daß die Amnion ein solches Vorgehen eventuell wirklich ›kapiert‹ hätten. Blutrünstige Offenherzigkeit kann der Zukunft der Menschheit kaum schlechter als die Politik des Drachen dienlich sein, die aus eigensüchtiger Manipulation bestand.
    Ohne Zweifel werde ich bei jeder Gelegenheit gegen Min Donners Entschlüsse opponieren. Es kann sein, daß sie manchmal auf mich hört. Und wenn nicht, lese ich noch einmal Warden Dios’ Aufzeichnungen, um mich von neuem zur Bescheidenheit zu ermahnen.
    Vielleicht überlebt die Menschheit ohne ihre Götter.
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