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Amnion 2: Verbotenes Wissen

Amnion 2: Verbotenes Wissen

Titel: Amnion 2: Verbotenes Wissen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Chance, den Gefangenen kleinzukriegen, ergab sich, als Angus einen Ausbruchsversuch unternahm.
    Trotz seiner persönlichen Kompromißlosigkeit und seines offenkundigen Soziopathentums bedeutete die Mitteilung, die Milos ihm über das Ende der Strahlenden Schönheit gemacht hatte, für Angus einen schweren Schlag. Nach Abklingen seines Kollers der Wut oder des Kummers ließ sich bei ihm in keiner erkennbaren Weise irgendeine Bereitschaft zu mehr Nachgiebigkeit feststellen. Natürlich schwanden seine Kräfte, die physischen Strapazen der Befragungen und des Stunnings verschlissen sie; aber zumindest vor Milos Taverner behielt er seine unversöhnliche Haltung bei. Dennoch stellte man ein abgewandeltes Betragen bei ihm fest, wenn er allein in der Zelle hockte. Nach und nach aß er immer weniger; stundenlang kauerte er auf seiner einfachen Pritsche und starrte nur die Wand an. Beobachter meldeten einen Hang zur Gleichgültigkeit, beinahe Reaktionslosigkeit; daß seine Augen sich nicht regten, wenn er die Wand anglotzte, er den Eindruck erweckte, gar nichts mehr wahrzunehmen. Vorschriftsmäßig speiste Milos die Informationen dem Psychoprofil-Computer des Sicherheitsdienstes ein. Die Paradigmen des Programms verwiesen darauf, Angus Thermopyle verlöre den Lebenswillen oder hätte ihn schon verloren. Unter diesen Umständen riet es von dem Einsatz des Stunnings als Möglichkeit zur Verschärfung des Verhörs ab. Andernfalls könne Angus sterben.
    Milos hegte die Auffassung, daß Angus den Verlust des Lebenswillens vortäuschte, um sich Hafterleichterungen zu erschwindeln. Der Stellvertreter des Sicherheitsdienstchefs mißachtete den Computer.
    Dadurch konnte er für sich einen zweiten kleinen Sieg verbuchen. Es bestätigte seine Beurteilung, als es Angus gelang, einen Aufseher zusammenzudreschen und aus der Zelle zu fliehen. Er brachte es fertig, immerhin den Wartungsschacht der Müllverarbeitungsanlage zu erreichen, bevor man ihn einfing.
    Scheiße, wiederholte Milos immer wieder in Gedanken. Er benutzte das Wort zu oft, damit brachte er sich um die Möglichkeit, um seinem tiefen Abscheu Ausdruck zu verleihen. Er wünschte nicht, daß Angus’ Vernehmung zum Erfolg führte – doch jetzt hatte er gegen Angus ein Druckmittel, und es zu ignorieren, ließe man ihm nicht durchgehen.
    Nachdem er bestimmte, sehr eindeutige Anweisungen erteilt hatte, die sicherstellten, daß nichts seine privaten Pläne untergrub, gewährte er den Wärtern für ein Weilchen die Gelegenheit, ihren Frust an Angus auszutoben. Anschließend ordnete er seine erneute Vorführung an.
    In gewisser Beziehung eignete das Stunning sich wenig, um angestauter Wut ein Ventil zu verschaffen; das Ergebnis befriedigte kaum. Es hatte eine kraftvolle Wirkung, doch blieb sie unpersönlich; die Konvulsionen, die es hervorrief, entstanden lediglich durch neuromuskuläre Reizung mittels elektrischer Ladungen. Deshalb hatten die Wärter diesmal vom Stunning Abstand und statt dessen ihre Fäuste, Stiefel und vielleicht ein, zwei Totschläger genommen. Die Folge war, daß Angus, als er diesmal das Vernehmungszimmer betrat, kaum noch laufen konnte. Er setzte sich wie jemand, der gebrochene Rippen hatte; über sein Gesicht und aus den Ohren sickerte Blut; man hatte ihm ein paar Zähne ausgeschlagen; eine Schwellung verschloß ihm das linke Auge, als hätte er vor, durch eine groteske Parodie Warden Dios lächerlich zu machen.
    Milos bewertete Angus’ Zustand als scheußlich. Gleichzeitig jagte er ihm Schrecken ein, weil er seine Erfolgsaussichten erhöhte. Trotzdem lobte er die Wärter, ehe er sie hinausschickte.
    Er und Angus blieben allein.
    Während er dermaßen wildentschlossen Niks rauchte, daß die Klimaanlage kaum mithalten konnte, ließ er Angus auf seinem Platz schmoren, gab unterdessen an seiner Computerkonsole eine Reihe von Befehlen ein. Es mochte sein, daß das Schweigen Angus’ Starrsinn zermürbte. Genausogut konnte es sein, daß sich im Laufe der Atempause seine Abwehrhaltung wieder verfestigte. Milos war es gleich. Er brauchte etwas Zeit, um die gewagte Strategie einzuleiten, für die er sich im Interesse der eigenen Sicherheit entschieden hatte, obwohl der Gedanke an die Risiken, die er damit einging, ihm einen Tremor in den Fingern verursachte, er dabei im Bauch ein Gefühl hatte, als schlotterten ihm die Därme.
    Er bereitete den Computer so vor, daß er zwei Aufzeichnungen dieser Vernehmungssitzung anfertigte. Die eine Aufzeichnung sollte die echte
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