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Amelia Peabody 18: Das Königsgrab

Titel: Amelia Peabody 18: Das Königsgrab
Autoren: Elizabeth Peters
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durchgegangen wäre, ließen Statur und Umgangsformen eindeutig auf einen wohlgeratenen, englischen Gentleman schließen. Zudem war selbiger Herr mein Sohn, Walter Peabody Emerson, besser bekannt unter seinem ägyptischen Spitznamen »Ramses«.
    Er wollte höflich den Hut ziehen und stellte fest, dass er (wie üblich) gar keinen trug. In Anbetracht der fehlenden Kopfbedeckung grüßte er mit einem Nicken und – welch seltenes Wunder! – er lächelte gewinnend. Ich reckte mich auf meinem Stuhl und verrenkte mir den Hals, um besagtes Individuum zu lokalisieren, das diese Reaktion ausgelöst hatte, aber leider Gottes versperrte mir das geschäftige Treiben auf dem Boulevard die Sicht. Seit meinem ersten Ägyptenaufenthalt hatte der Verkehr in Kairo dramatisch zugenommen; mittlerweile machten sich Automobile mit Eseln und Kamelen, Karren und Kutschen die Straße streitig, weshalb der Motorengestank, schlimmer noch als die Lasttiere, den Geruchssinn traktierte. Ich muss gestehen, an deren Ausdünstungen und Ausscheidungen hatte ich mich mit den Jahren gewöhnt.
    Ich mutmaßte, dass die Person, die mein Sohn begrüßte, von zierlicher Statur sei und höchstwahrscheinlich hübsch (Letzteres schloss ich aus Ramses’ Bemühung, den Hut zu ziehen, und seinem galanten Lächeln). In diesem Augenblick schob sich eine beleibte, von einem riesigen Turban gekrönte Gestalt auf einem eher schmächtigen Eselchen an meinem Sohn vorbei, und als ich wieder freie Sicht hatte, kam der Junge bereits die Hoteltreppe hoch und an meinen Tisch gehechtet.
    »Wer war das?«, wollte ich wissen.
    »Guten Tag, Mutter.« Ramses gab mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange.
    »Guten Tag. Wer war das?«
    »Wer war was?«
    »Ramses«, bemerkte ich mit einem warnenden Unterton in der Stimme.
    Darauf versagte sich mein Sohn weitere Spitzfindigkeiten. »Ich glaube, du kennst sie noch nicht, Mutter. Ihr Name ist Suzanne Malraux. Sie hat bei Mr Petrie studiert.«
    »Ah ja«, erwiderte ich. »Du irrst, mein Lieber. Professor Petrie erwähnte sie mir gegenüber bereits letztes Jahr. Er umschrieb ihre Arbeit mit akzeptabel.«
    »Das ist wieder typisch Petrie.« Ramses setzte sich und verstaute seine langen Beine unter dem Tisch. »Trotzdem, eins muss man ihm lassen. Er hat sich nie dagegen gesträubt, Frauen auf dem Feld der Archäologie auszubilden.«
    »Ich habe auch nie abgestritten, dass er sich auf seinem Gebiet gewisse Verdienste erworben hat, Ramses.«
    Sein Grinsen dokumentierte, dass er die leise Anspielung in meiner Äußerung erfasst hatte. »Mit der Ausbildung allein ist es nicht getan, Mutter. Bislang hat sie noch keine Anstellung gefunden.«
    Was wollte mein Sohn damit andeuten, schoss es mir unvermittelt durch den Kopf. Dass wir sie in unseren Mitarbeiterstab aufnehmen sollten, vielleicht? Bestimmt wäre sie mit einem solchen Anliegen eher an ihn herangetreten als an seinen Vater oder an mich. Zugegeben, junge (wie ältere) Damen flogen auf ihn, obwohl er sie in keiner Weise dazu ermutigte. Er liebte seine bildhübsche Frau Nefret und wäre vermutlich nie auf die Idee gekommen, sich mit einer Jüngeren einzulassen. Mademoiselle Malraux war Halbfranzösin. Und – wie viele andere Frauen – sichtlich von Ramses beeindruckt. Kein Wunder bei seinen höflichen Umgangsformen (mein Verdienst) und der athletischen Statur (ein Erbe seines Vaters), seinem attraktiven, südländischen Äußeren und dem gewissen Etwas (das ich hier nicht näher spezifizieren möchte).
    Nein, eine Anstellung der Dame schien mir nicht ratsam, obwohl wir dringend weiteres Personal benötigten. »Hast du schon ein paar interessante Leute getroffen?«, erkundigte sich Ramses nach einem Blick über die Gäste, die auf der Terrasse den Tee einnahmen. Es war der übliche Haufen – gut gekleidet, gut situiert und fast durchweg hellhäutig – besser gesagt von sommersprossig weiß bis zu einem sonnenverbrannten Puterrot. »Lord und Lady Allenby waren kurz bei mir am Tisch«, erwiderte ich. »Er war ganz reizend, aber ich verstehe durchaus, wieso die Leute ihn als den Bullen bezeichnen. Sein ausladendes Kinn deutet auf eine energische Persönlichkeit.«
    »Das muss er auch sein. Als Hochkommissar steht er sowohl unter Beschuss der Imperialisten in der britischen Regierung als auch der ägyptischen Nationalisten. Im Großen und Ganzen kann ich seine Bemühungen nur begrüßen.«
    Ich hatte absolut keine Lust auf das Thema Politik, denn das war ganz einfach deprimierend.
    »Da
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