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Amelia Peabody 01: Im Schatten des Todes

Titel: Amelia Peabody 01: Im Schatten des Todes
Autoren: Elizabeth Peters
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versichere Ihnen, ich habe noch nie einen Mann kennengelernt, der so vernünftig gewesen wäre wie ich selbst.«
    »Das kann ich Ihnen durchaus glauben«, meinte er. Und dann platzte er heraus: »Warum ziehen Sie sich aber so entsetzlich an? Um Bewerber abzuschrecken?«
    »Aber, Mr. Fletcher!« protestierte ich. »Meine Kleider passen genau für das Leben, das ich führe. Die gegenwärtige Mode ist für eine aktive Person völlig ungeeignet. Diese engen Humpelröcke und die Schnürmieder, in denen man nicht einmal atmen kann … Und die Turnüre! Die ist doch völlig idiotisch! Ich trage sie nur deshalb, weil man ein Kleid ohne Turnüre heutzutage nicht gemacht bekommt. Ich kann aber wenigstens auf dezenten Stoffen und einem Minimum an Kinkerlitzchen bestehen. In roter Seide mit Spitzchen und Rüschchen und Troddelchen käme ich mir närrisch vor.«
    »Trotzdem dachte ich immer, Sie würden in roter Seide mit Spitzchen und Rüschchen recht hübsch aussehen«, antwortete Mr. Fletcher lächelnd.
    Meine gute Laune war gerettet, doch ich schüttelte den Kopf. »Geben Sie’s auf, Mr. Fletcher. Mir können Sie nicht schmeicheln, denn ich kenne die Liste meiner Fehler viel zu genau. An einigen Stellen bin ich zu mager, an anderen zu füllig, meine Nase ist zu lang, mein Mund zu groß, mein Kinn ist zu männlich. Blasse Haut und rabenschwarzes Haar sind im Moment unmodern, und meine grauen Augen unter den dichten Brauen jagen den Leuten Angst und Schrecken ein, denn vor Güte strahlen sie selten. Können wir jetzt zu den Geschäften übergehen?«
    Ich folgte seinem Rat und machte mein Testament, wenn ich auch noch lange nicht die Absicht hatte, zu sterben; es ist jedoch immer mit einem gewissen Risiko verbunden, in ungesunde Gegenden zu reisen. Mein ganzes Vermögen vermachte ich dem Britischen Museum, in dem Papa so viele glückliche Stunden verbracht hatte.
    Schließlich suchte ich mir noch eine Reisegefährtin, weil ich einsam war, nicht weil ich es unschicklich gefunden hätte, allein zu reisen. Immer hatte ich für Papa gesorgt, und ich brauchte auch jetzt einen Menschen, für den ich sorgen konnte. Miß Pritchett war ein paar Jahre älter als ich, kleidete und benahm sich jedoch so, als sei sie wesentlich jünger. Allerdings sahen die Rüschchen und Spitzchen an ihrem Knochengerüst recht grotesk aus, und ihre Stimme klang sehr schrill. Sie war ungeschickt, einfältig und neigte zu Ohnmachts und Schwächeanfällen, oder sie gefiel sich darin, sobald sich eine Gelegenheit dazu ergab. Ich hatte ganz schön zu tun, wenn ich sie durch die Straßen Kairos und die Wüsten Palästinas schleifen wollte.
    Kaum hatten wir jedoch Rom erreicht, als sie an einem Typhusfieber erkrankte. Sie kam zwar durch, aber ich mußte meine Reise nach Kairo um zwei Wochen verschieben. Da sie eine lange Erholungszeit benötigte, schickte ich sie nach England zurück und übergab sie der
    Obhut eines Geistlichen und seiner Frau, die gerade Rom verließen. Ihr Gehalt wollte ich ihr bezahlen, bis sie einen neuen Posten fände. Sie versuchte, als sie sich verabschiedete, weinend meine Hand zu küssen.
    Meine Pläne waren also durchkreuzt, und ich fühlte mich schlechter Laune. Meine ganzen Vorbereitungen hatten zwei Personen gegolten. Sollte ich mir eine neue Gefährtin suchen oder die Reise einsam antreten? Darüber dachte ich nach, als ich der trostlosen Kuhweide einen Besuch abstattete, die einstmals das historische Forum von Rom gewesen war.
    Es war ein unfreundlicher Dezembernachmittag. Piero sah trotz der von mir gekauften Jacke wie ein frierender, geschorener Pudel aus. Die umgestürzten Säulen waren von braunem, dürrem Unkraut überwuchert. Ich las ein paar gemeißelte Inschriften und stellte den Ort fest, wo Cäsar überfallen wurde; damit war ich zufrieden und setzte mich zu kurzer Rast auf einen Säulenstumpf.
    Von Piero ließ ich mir den heißen Tee geben, den die Hotelküche zusammen mit einem kleinen Imbiß für mich vorbereitet hatte. Während ich meinen Tee trank und Piero im Korb nach etwas Besserem kramte, bemerkte ich in der Nähe einen Menschenauflauf und schickte Piero zum Nachschauen, was es dort gebe. Viele Fremde, berichtete er wenig später, seien um eine junge englische Dame versammelt, die am Boden liege. Was konnte eine solche junge Dame auch anderes sein als Engländerin? Und sie sei ganz gewiß tot, weil sie sich nicht rühre.
    Nun, Engländerin oder nicht, ich zweifelte, daß sie tot sei. Piero liebte als Römer das
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