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Am zwölften Tag: Denglers siebter Fall (German Edition)

Am zwölften Tag: Denglers siebter Fall (German Edition)

Titel: Am zwölften Tag: Denglers siebter Fall (German Edition)
Autoren: Wolfgang Schorlau
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ansprechen, mit denen in manchen Schlachthöfen auch hier bei uns Arbeiter aus Rumänien und Bulgarien ausgebeutet werden.
    Es ist ein schmaler Grat, wenn sich Kirche in die Tagespolitik einmischt. Ein Gottesdienst ist keine politische Demonstration. Eine Predigt soll nicht polarisieren und die Gemeinde spalten.
    Aber ist es nicht so, dass wirtschaftlich gesunde Unternehmen ohne Not öffentliche Leistungen wie die Hartz- IV -Aufstockung und Wohngeld von vornherein in ihre Lohnkalkulation mit einrechnen, anstatt selbst die Leute so zu bezahlen, dass sie von ihrem Einkommen auch leben können? Das ist doch Sozialbetrug! Das sind Steuergelder, unrechtmäßige Subventionen!
    Wie funktioniert dieser »legale« Sozialbetrug durch Unternehmen? – Mit den Arbeitern werden »Werkverträge« geschlossen. Sie arbeiten als Scheinselbstständige ohne irgendwelche Absicherungen, und das für einen schäbigen Dumpinglohn. Oftmals haben Schlepper diese Arbeiter nach Deutschland gelockt und nehmen sie dann aus: zunächst für die Vermittlung, dann auch für erbärmliche Unterkünfte, für Transporte und so weiter.
    Sr. Elisabeth von den Benediktinerinnen in Dinklage erzählte mir diese Woche, sie sei vor etwa drei Wochen von einer Unternehmerin aus Dinklage gefragt worden, ob die Schwestern Zimmer in ihrer »Martinsscheune« an diese Firma vermieten könnten für die Unterbringung von rumänischen und bulgarischen Arbeitern. Sr. Elisabeth hat die Unternehmerin darauf hingewiesen, dafür sei die »Martinsscheune« als Hilfe für Obdachlose nicht gedacht. Aber sie könne sich ja mal nach einem günstigen Hotel in Dinklage umhören. Das sei ihnen zu teuer, habe die Frau geantwortet. Scheinbar ist für Arbeitsmigranten eine »Obdachlosen-Unterkunft« allemal gut genug … – Das beschreibt doch genau das Problem: Es gibt Arbeitsverhältnisse zweiter Klasse, und die Arbeiter werden behandelt wie Menschen zweiter Klasse!
    Schwangerschaftskonfliktberaterinnen vom »Sozialdienst katholischer Frauen« erzählten mir kürzlich von rumänischen und bulgarischen Arbeiterinnen, die hier bei uns zu Dumpinglöhnen arbeiten müssen und mit einer ungeplanten Schwangerschaft alles verlieren. Sie haben buchstäblich nichts mehr: keine Rechte, kein Geld, keine Versicherung …
    Die Beraterinnen erzählten mir auch aus ihrer Erfahrung von den rumänischen und bulgarischen Arbeitern in Schlachtkolonnen auf großen Schlachthöfen, die zu Kleinstlöhnen arbeiten, aber zum Beispiel für ihre oft erbärmliche Unterkunft horrende Preise zahlen müssen. Sie wüssten von Fällen, wo das gleiche Bett von drei Arbeitern genutzt wird – »Schichtbetrieb«! So etwas wird berichtet aus der Zeit der industriellen Revolution zu Beginn des 19. Jahrhunderts.
    Ludger Mayhaus, ehemaliger Bürgermeister in Garrel und im Ruhestand noch engagiert in der ehrenamtlichen Schuldnerberatung, erzählte mir das Beispiel von drei rumänischen Brüdern, die alle drei mit mehr als 200 Arbeitsstunden im Monat in seine Beratung gekommen sind. Mit allen Zuschlägen für Nacht- und Feiertagsarbeit hatte der erste von ihnen 1700 Euro brutto (!), der zweite 1600 Euro und der dritte 1400 Euro brutto. Der dritte wohnt mit Frau und zwei Kindern hier.
    Wenn Jesus sich des Hungers der Menschen erbarmt, dann hat er ihre konkrete Not im Blick. Das Ausbeuten von Migranten auch in unserer Heimat ist ein Skandal! Alle Kraft müssen Menschen, müssen Christen aufwenden, um diese Not, diese Ungerechtigkeit zu bekämpfen! Wenn es uns nicht gelingt, menschenwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen auch für Migranten zu garantieren, dann verrotten unsere Werte von innen! All das, worauf wir in Südoldenburg stolz sind: Fleiß, Innovation, Mut und auch unser Gemeinschaftsgefüge verrottet von innen, wenn es uns nicht gelingt, Rechte und Gerechtigkeit allen zugänglich zu machen, auch den Migranten!
    Mindestlöhne und Lohnuntergrenzen sind der richtige und zu fordernde Weg. Darüber hinaus müssen die kriminellen Praktiken moderner Sklaverei mitten unter uns verfolgt, bestraft und unterbunden werden! Da ist die Politik in der Pflicht, also auch jeder von uns. Die Gesetzeslücke, die dieses Unrecht ermöglicht, muss geschlossen werden!
    Es liegt eine Sozialpflicht auf jeder Art von Besitz, eine Sozialpflicht, die begründet ist in der Frage Gottes: »Kain, wo ist dein Bruder Abel?« und in dem Wort Jesu: »Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.« Gott solidarisiert, ja
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