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Am Hang

Am Hang

Titel: Am Hang
Autoren: Markus Werner
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sie war dir nur allzu treu, fast möchte ich sagen: leider. – Allzu treu? Was soll das heißen? – Das heißt, daß Felix’ verzweifelter letzter Versuch, sie zurückzugewinnen, vollkommen gescheitert ist. Sie hat ihn abgewiesen, endgültig offenbar, es muß entsetzlich gewesen sein für beide. Und als mir Valerie davon erzählte, andeutungsweise wie immer, da war mir sofort klar, daß es Felix gewesen sein mußte, dem ich an jenem Abend kurz begegnet war: Ich hatte im Parterre auf den Aufzug gewartet, und als er ankam und ich die Türe öffnete, sie funktioniert nicht automatisch, stand mir ein Mann mit fahlem Gesicht gegenüber, der mich verstört anstarrte. Ich grüßte ihn und trat zu ihm in den Aufzug, und da er von oben gekommen und im Parterre nicht ausgestiegen war, nahm ich an, er wolle wie ich ins Untergeschoß. Er stieg auch dort nicht aus, ich fragte ihn, ob er etwas Bestimmtes suche. Den Ausgang, sagte er heiser. Ich sagte, er müsse wieder einen Stock höher, dann rechts den Flur entlang, dann komme er zum Ausgang. Das war meine Begegnung mit Bendel. Sie scheint dich, wie ich sehe, nicht zu interessieren, du trommelst unablässig mit den Fingern, also, heraus mit der Sprache: warum bist du gekommen?
    Das Trommeln war mir nicht bewußt gewesen, und ich entschuldigte mich dafür und fragte Eva umstandslos, ob ihr der Name Bettina Loos etwas sage. Sie dachte nach, sie schüttelte den Kopf und sagte: Nie gehört, wer ist das? – Nun, sie war etwa zur gleichen Zeit wie Valerie hier Gast, sie hätte dir über den Weg laufen können. – Eva schaute mich an, prüfend, mit zusammengekniffenen Augen. – Aha, sagte sie, ich verstehe, du bist also dreifach aktiv gewesen. Hast du geglaubt, sie sei hier? Oder gehofft, ich könne dir sagen, wo sie momentan steckt? – Blödsinn, sagte ich, ich hatte nichts mit ihr, sie war ja in Begleitung ihres Mannes. – Ich spüre, du bist ihretwegen hier. – Mag sein, sagte ich, aber nicht so, wie du denkst, ich habe sie erstens nie gekannt, und zweitens lebt sie nicht mehr. – Es beginnt mir zu dämmern, sagte Eva, du bist doch Rechtsanwalt, geht es um einen Kriminalfall? – Vielleicht. – Und warum hast du mir nicht gleich gesagt, warum du mich sehen wolltest? Du hörst dir höflich Geschichten von Valerie an und hast ganz anderes im Kopf. – Ja, nein, ich weiß nicht recht, Eva, entschuldige, ich bin ein wenig durcheinander, und ich komme mir irgendwie lächerlich vor. – Dein erstes sympathisches Wort, sagte Eva, also, worum geht es?
    Ich schicke voraus, daß mein Interesse rein privat ist, ich bin nicht als Anwalt hier. Ich möchte dich einfach fragen, ob sich im Juni vergangenen Jahres hier, im Kurhaushallenbad, ein Unfall ereignet hat, und zwar ein Unfall mit Todesfolge. Das Opfer, eine Frau um die vierzig, soll auf dem Beckenrand ausgerutscht und Stunden später in einem Luganeser Krankenhaus an ihrer Verletzung gestorben sein. Hast du von diesem Unglück gehört? – Nein, sagte Eva, nein, von einem solchen Unglück weiß ich nichts. – Könnte es sein, daß es passiert ist, ohne dir zu Ohren zu kommen? – Das scheint mir fast ausgeschlossen. Natürlich hätte man die Sache höchst diskret behandelt, und trotzdem wäre etwas durchgesickert. Geht es bei dieser Frau um die erwähnte …, wie hieß sie noch gleich? – Bettina Loos, sagte ich, vielleicht Bettina Loos, vielleicht auch anders. – Wie mysteriös, sagte Eva. – Es scheint so, sagte ich, und doch wäre schon vieles geklärt, wenn du zwei Dinge herausfinden könntest: Ist eine Frau dieses Namens vor einem Jahr hier Gast gewesen? Ist zweitens eine Frau, die vielleicht anders hieß, zu jener Zeit im Hallenbad verunglückt oder sonstwie zu Tode gekommen – falls ja, wie hat sie geheißen? – Zu meiner Überraschung sagte Eva: In fünf Minuten weißt du beides, der Direktor ist da, ich habe ihn eben gesehen, er wüßte von dem Unfall, und die Gästeliste vom letzten Juni spuckt der Computer in drei Sekunden aus, bis gleich.
    Mein Magen tat noch immer nervös, ich bestellte einen weiteren Fernet. Ich ließ den Blick über den Golf von Agno schweifen. Umdunstet, schwach hellgraugrün erhob sich jenseits die Collina d’oro. Montagnola war nur ein verschwommener Fleck, und ich putzte die Brille mit ungeduldigen Fingern. Als Eva zurückkam, ihr Gesicht verriet nichts, fragte sie, woher ich meine Informationen hätte. – Sie stimmen also? fragte ich. – Sie stimmen nicht, sagte sie, weder ist eine
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