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Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition)

Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition)

Titel: Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition)
Autoren: Fabian Hischmann
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wir tatsächlich fliegen, wäre das bei mir nicht nötig, denn ich flöge davon, ganz hoch, ganz weit weg.
    Wir geben uns Highfive. Ich tippe mit dem Zeigefinger gegen meine Nase. Er erklärt: »Bin in der Sonne eingeschlafen.«
    »Kannst du, wenn wir oben sind, noch die Schubkarre für die alten Ziegel holen?«, fragt Jan.
    Anton bejaht und entdeckt Lio, der im Schatten unseres Autos herumliegt.
    »Der wird doch wohl nicht die Hühner fressen?«
    »Sie müssten ihm schon direkt ins Maul flattern«, versichere ich.
    Anton lacht, Jan nicht.
    Ich werfe moosige Bruchziegel hinab und reiche Jan neue, balanciere auf der obersten Sprosse der Leiter. Jan bessert mit sicheren Handgriffen die Schäden aus. »Auf der anderen Seite wird es schwieriger.« Seine Stimme klingt angestrengt.
    »Ich muss mal schnell pissen«, schreit Anton nach oben.
    Ich steige auch aufs Dach, damit er die Leiter loslassen kann. Jan klopft den letzten Ziegel fest. Zwischen all den abgenutzten Dachziegeln wirken die neuen wie Fremdkörper. Jan dreht sich um und setzt sich in die Steigung, experimentiert mit der Schwerkraft. Vorsichtig begebe ich mich auf gleiche Höhe. Er zündet uns zwei Zigaretten an. Wir inhalieren tief, sehen von dort oben auf die grünen Gipfel vor uns. Und auf die genauso grünen Täler.
    Minutenlange Stille.
    Dann rattert das Echo eines Eichelhähers in unsere Trommelfelle, kommt Anton vom Pissen zurück. Wir klettern nach unten, um auf der anderen Seite wieder nach oben zu steigen, und haben vergessen, dass wir uns nicht mögen. Um ehrlich zu sein, ist es sogar so, dass ich mich, seit ich Jan gestern wiedergesehen habe, stark zu ihm hingezogen fühle. Ich denke: Ich habe dich vermisst, und sage: »Ich muss auch mal aufs Klo.«
    Es ist nicht Maria, die mich aus der Bahn wirft. Nicht mehr. Ich bin unsicher, was sie, was wir überhaupt waren. Aber ihr Plan, wenn es ihn denn je gegeben hat, scheint zu funktionieren, das muss ich zugeben.
    »Fuck!«
    Jan hält seinen Daumen gegen die Sonne. Der Finger pulsiert, als schlüge ein winziges Herz in ihm.
    »Du musst den Rest machen, Flieger.«
    Grobmotorisch lege ich los. Jan nuckelt an seinem Daumen, ein weiteres regressives Bild im Album der letzten Tage.
    Irgendwann, der finale Hammerschlag ist getan, will ich es wissen.
    »Du und Maria, seid ihr – ?«
    »Nein. Sind wir nicht und waren wir auch nie. Kannst ganz beruhigt sein.«
    »Es würde mir nichts ausmachen.«
    »Das glaubst du doch selbst nicht.«
    »Ehrlich jetzt.«
    Wir sehen uns misstrauisch, aber nicht feindselig an.
    »Spaghetti?«, fragt Jan.
    Ich nicke heftig.
    »Also abwärts, Flieger!«
    »Max, Jan. Sag bitte einfach Max.«

10
    Jetzt heule ich. Die Zwiebeln steigen mir in die Augen. Im Radio spielen sie einen Eurodance-Klassiker. Ich fische eine Nudel aus dem Kochtopf und schmeiße sie gegen die Kacheln. Sie bleibt haften. Ich gieße das Wasser ab, stelle zwei Teller auf den Tisch. Anton ist mit Julia beim Frauenarzt, Maria und Pelle sind noch nicht zurück. Jan pfeffert die Soße, hat sich einen kalten Waschlappen um den Daumen gewickelt und trägt mittlerweile ein weißes Shirt. Ich bin mir sicher, dass er es bekleckern wird.
    Mit der Gabel wickeln wir Pasta auf den Löffel. Nach dem Essen rauchen wir Zigaretten. Wir sind so weit, schätze ich.
    »Jan?«
    »Ja.«
    »Damals, die Sache im Wald …«
    »Wir waren klein und dumm.«
    »Ich wollte dich umbringen.«
    »Echt?«
    »Ja.«
    Wir rauchen noch eine Zigarette, dann räume ich die Teller ins Spülbecken.
    »Willst du die Bienen sehen, Max?«
    »Klar, Kranig.«
    Wir lachen. Auf seinem Shirt erkenne ich mindestens vier Tomatenspritzer.
    Zirka fünfhundert Schritte vom Haus entfernt überschreiten wir die Grenze, treten von gestutztem Gras in kniehohe Halme. Ich frage mich, ob meine FSME-Impfung noch wirksam ist, bringe es einfach nicht fertig, mich vollkommen zu entspannen, auch weil es seltsam ist, wie gut wir uns auf einmal verstehen. Vor ein paar Stunden bin ich fest davon ausgegangen, dass wir uns prügeln würden. Oder Schlimmeres.
    »Wem gehört das Haus eigentlich?«
    »Mir.«
    Ein riesiger Grashüpfer flieht mit einem Satz vor unseren Schuhen.
    »Hast du es gekauft?«
    Ich weiß, dass das nicht sein kann. Er hatte nie viel Geld, musste sich schon als Junge immer etwas leihen, wenn es ans Gummischlangen- oder Stickerkaufen ging. Und seine Mutter hatte wohl auch nicht viel, sie hockte ja nur bei Schlecker an der Kasse.
    »Ich hab es
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