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Am Ende ist da nur Freude

Am Ende ist da nur Freude

Titel: Am Ende ist da nur Freude
Autoren: David Kessler
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sie kein weiteres Wort und verstarb am nächsten Tag. William war völlig verblüfft, aber auch froh, dass er nun ein weiteres Puzzleteilchen der Geschichte hatte. Er wusste, dass er dieses Gespräch hatte führen sollen und nicht das mit seinem
verstorbenen Vater, dem Anwalt, der alle Fakten gebraucht hätte.
    William erzählte der Tochter seiner Tante, seiner Cousine Sylvia, die ganze Geschichte. Sie war Oberschwester und berichtete: »Eines Tages wurde uns eine Präsentation der Geschichte unseres Krankenhauses gezeigt. Als ich dort anfing, kam mir gleich vom ersten Tag an alles so bekannt vor. Jetzt erfuhr ich, dass unser Krankenhaus früher ein Heim für ledige Mütter gewesen war. Da wurde mir klar, dass ich bereits als kleines Mädchen hier war, als ich meine Tante Jennifer, deine Mutter, besucht hatte.«
    Sylvia bemerkte die Verwirrung ihres Cousins und fragte: »Verstehst du nicht? Du hast eine Schwester oder einen Bruder. Als Jugendliche musste deine Mutter ihr Kind zur Adoption freigeben. Damals war das nicht so wie heute – sie hatte keine Wahl. Die Familie musste es als ungeheure Schande empfunden haben und hatte sie weggeschickt, damit sie ihr Kind heimlich bekommen konnte.«
    William wandte sich an eine Organisation für Eltern und Kinder auf der Suche nach ihren biologischen Verwandten. Ein paar Wochen später rief jemand aus deren Büro an und sagte: »Wir haben die Geburtsurkunde Ihres Geschwisters gefunden. Sie haben einen Bruder. Er wurde an einem 16. März geboren.«
    William rief dazwischen: »Das ist mein Geburtstag!«
    »Es ist auch der Ihres Bruders«, stellte die Frau fest.
    Endlich wusste William, was die letzten Worte seiner
Mutter bedeuteten. Schließlich konnte er seinen Bruder ausfindig machen, und er fragte sich, ob sein Vater wohl stolz auf ihn gewesen wäre, weil ihm diese Arbeit aufs Beste gelungen war und er das vollständige Bild vorweisen konnte. Hätte man diese Informationen Geschworenen vorlegen können?
     
    William wusste nicht, dass Erklärungen auf dem Sterbebett vor Gericht oft tatsächlich als wahr angesehen werden und dass sie – durch die juristische Brille betrachtet – häufig eine ganz andere Geschichte mit völlig anderem Ausgang ergeben. Juristisch gesprochen ist eine Erklärung auf dem Sterbebett die Aussage eines Sterbenden. Häufig wird sie zur Entscheidung in Mordfällen herangezogen. In der westlichen Medizin haben diese »Erklärungen« oder Äußerungen, besonders wenn es dabei um eine Vision geht, die nicht von dieser Welt ist, keine Aussagekraft.
    Das Gesetz nimmt nicht ausdrücklich dazu Stellung, ob die Sterbenden Visionen haben. Dennoch bewertet es die Worte eines Sterbenden oft als wahr, besonders wenn es um Mord geht. Dahinter steht die Überlegung, dass Menschen, die wohl wissen, dass sie nur noch wenige Augenblicke zu leben haben, allen Grund haben, vollkommen ehrlich zu sein, vielleicht sogar noch viel ehrlicher, als sie es je waren. Obwohl man argumentieren könnte, dass ein Sterbender sich womöglich rächen oder den-Falschen eines Verbrechens beschuldigen könnte, gelten
Erklärungen auf dem Sterbebett vor dem Gesetz oft als wahr. Dieses Gesetz, das auf die Gepflogenheiten an mittelalterlichen Gerichtshöfen in England zurückgeht, fußt auf dem Prinzip des nemo moriturus praesumitur mentire – von einem Sterbenden ist nicht anzunehmen, dass er lügt. Erste Beispiele stammen aus dem 12. Jahrhundert, als man bereits seit langem der Auffassung war, dass Erklärungen im Angesicht des Todes, beispielsweise Aussagen auf dem Sterbebett, »besonders vertrauenswürdig« seien.
    Das typische Denken seiner Zeit zeigt sich in der Stellungnahme von Lord Oberrichter Mansfield, der Lady Jane Douglas’ Erklärung auf dem Sterbebett vor Gericht für zulässig erklärte, denn: »Wäre sie mit einer Lüge auf den Lippen gestorben?« (Auf dem Sterbebett hatte Lady Douglas nachdrücklich behauptet, sie sei die leibliche Mutter ihres Sohnes Archibald, was ihn zum gesetzlichen Erben ihres Bruders, eines wohlhabenden Herzogs, machte.)
    Sogar heute noch, Jahrhunderte später, gilt diese besondere Ausnahmeregelung für die Erklärung eines Sterbenden immer noch. Denn normalerweise fallen die letzten Worte eines Sterbenden, soweit sie sich auf ein Verbrechen beziehen, unter die »Hörensagen-Regel«; danach darf eine Aussage, die ein anderer macht als derjenige, der sie ursprünglich geäußert hat, in einem Gerichtsverfahren nicht verwertet werden – eben
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