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Am Ende der Welten - 16

Am Ende der Welten - 16

Titel: Am Ende der Welten - 16
Autoren: Terry Goodkind
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daraufhin nur anstarrte, ließ Sechs ihren langen Finger über die von der Fackel beschienene Felswand wandern. »Was fehlt?«
    Unabhängig von dem folgenden Frage- und Antwortspiel staunte Rachel immer wieder, wie gut Violet in Wahrheit zeichnen konnte. Sämtliche Höhlenwände, vom Eingang bis hinten durch zu der Stelle, an der sie jetzt arbeiteten, waren mit Zeichnungen bedeckt, die auf jeder verfügbaren freien Fläche angebracht waren. An manchen Stellen wirkten sie wie in kleine, zwischen älteren Zeichnungen übrig gebliebene Freiflächen gezwängt. Einige Zeichnungen waren von außerordentlicher Qualität und in der Ausführung so detailliert, dass sie sogar Schattierungen aufwiesen. Die meisten waren jedoch einfache Strichzeichnungen von Gerippen, Feldfrüchten, Schlangen oder anderen Tieren. Es gab Darstellungen von Personen, die aus Bechern mit Totenschädeln und gekreuzten Knochen darauf tranken. An anderer Stelle sah man eine Frau, die ganz aus dünnen Zweigen zu bestehen schien, aus einem brennenden Haus stürzen; auch die Frau war über und über von Flammen umhüllt. Dann wieder sah man einen Mann ganz in der Nähe eines sinkenden Bootes auf dem Wasser treiben. In einer anderen Szene hatte sich eine Schlange in den Knöchel eines Mannes verbissen. Auch Bilder von Särgen und Gräbern jeglicher Art waren überall an den Wänden zu erkennen. Aber eins war allen Bildern gemeinsam: Es waren ausnahmslos Darstellungen grauenhafter Dinge. Aber in der ganzen Höhle gab es nicht eine einzige Zeichnung, deren Komplexität auch nur annäherungsweise an das Gebilde heranreichte, das Violet zeichnete.
    Die anderen Bilder enthielten nur selten lebensgroße Darstellungen von Menschen, und wenn doch, fanden sich dort nur selten zusätzliche Details, wie zum Beispiel auf sie herabstürzende Felsbrocken oder Pferde, die ihre Reiter in den Staub trampelten. Die meisten Bilder zeigten ganz ähnliche Dinge, maßen aber bestenfalls ein paar Handspannen in der Breite. Violets Zeichnung dagegen er streckte sich bereits jetzt über eine Dutzende Fuß breite, vom Boden bis zur Höhe ihrer ausgestreckten Arme reichende Fläche und schien immer tiefer in die Höhle hineinzuwachsen. Sie hatte das ganze Bild eigenhändig gezeichnet, wenn auch natürlich unter Sechs’ ständiger Anleitung.
    Was Rachel jedoch am meisten beunruhigte, war, dass Violet, nachdem sie bereits eine ganze Weile an der Zeichnung gearbeitet und Sterne und Formeln, Diagramme und seltsam verschlungene Symbole eingearbeitet hatte, im Zentrum des Ganzen die Umrisse einer menschlichen Gestalt eingezeichnet hatte. Diese Gestalt war Richard.
    Violets Zeichnung unterschied sich von allen anderen in der Höhle, die im Vergleich zu ihrer primitiv und unfertig wirkten. Sämtliche anderen Darstellungen hatten unverfängliche, deutlich erkennbare Dinge zum Gegenstand, Gewitterwolken etwa, mit schrägen Strichen für den Regen darunter, einen Zähne bleckenden Wolf oder einen Mann, der sich im Zurücksinken an die Brust fasst. Außer den Figuren selbst war bis auf ein paar simple Attribute auf der Felswand kaum etwas zu sehen. Violets Zeichnung dagegen war über und über mit Details versehen, die gänzlich anderer Natur waren. Man sah Zahlen und Skizzen, Worte in fremden Sprachen, einige davon entlang den Linien von Diagrammen, sorgfältig platzierte Zahlen an den Berührungspunkten der Winkelschenkel und, über die gesamte Illustration verstreut, merkwürdige geometrische Symbole. Wann immer Violet eines dieser Symbole einzeichnete, stand Sechs hochkonzentriert daneben, erteilte ihr für jede einzelne Linie mit leiser Stimme Anweisungen und korrigierte sie bisweilen auch, wenn Violet schon kurz davor war, die Kreide aufzusetzen, um zu verhindern, dass sie die nächste Linie an der verkehrten Stelle oder in der falschen Reihenfolge auf die Felswand aufbrachte. Einmal wurde Sechs nervös und riss Violets Handgelenk im letzten Moment noch zurück, ehe sie die Kreide auf die Felswand setzen konnte, nur um Violets Hand anschließend mit einem erleichterten Seufzer zu führen und ihr zu helfen, den richtigen Anfang zu finden. Im Gegensatz zu den übrigen Zeichnungen in der Höhle war Violets in unterschiedlichen Farben ausgeführt. Die anderen Zeichnungen entlang der gesamten Strecke bis tief in die Höhle hinein, wo Violets begann, waren einfache Kreidezeichnungen. In ihrer dagegen waren an einer Stelle grüne Bäume zu sehen, an einer anderen blaues Wasser, sowie eine gelbe
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