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Als die schwarzen Feen kamen

Als die schwarzen Feen kamen

Titel: Als die schwarzen Feen kamen
Autoren: A Beer
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verstummt war. Und als das bläuliche Feenlicht vor dem Fenster verlosch, richtete sich die Bestie warnend auf, rüttelte an Gabriels Bewusstsein und zwang ihn, seinen Blick von dem Loch in Maries Schatten loszureißen– gerade, als Marie den Marktplatz der Obsidianstadt erreichte.
    Alarmiert wandte Gabriel sich um. Schatten schwammen durch sein Blickfeld, und er brauchte eine Weile, bis er unterscheiden konnte, was er durch seine eigenen Sinne wahrnahm und was durch die seiner Bestie. Die Fee auf der Straße… war sie fort? Er konnte die Fee nicht mehr spüren, ebenso wenig wie er ihr Licht sehen oder ihren Gestank riechen konnte.
    Doch dafür spürte er etwas anderes. Etwas rötlich Schwarzes, Glänzendes, mit unzähligen winzigen Armen, an denen das Blut etlicher Bestien klebte.
    Und das der Fee, der er vorhin begegnet war.
    Gabriel spürte, wie ihm kalt wurde. Das Wesen näherte sich von draußen, wo die vereiste Feuertreppe an der Hauswand emporwuchs und an einer Stahltür endete, die auf den Flur vor Gabriels Wohnung führte.
    Ein Schatten.
    Und ein Mensch.
    Gabriel sprang auf die Füße. Wie hatten sie ihn gefunden? Wussten sie, was Marie vorhatte? Und wenn ja, woher? Der Wurm, dachte Gabriel, der Hunderthändige. Er musste es gespürt haben. Und was der Wurm wusste, erfuhr auch der Arzt. Hastig begann er, die Kisten mit seinen Bildern vor seine Wohnungstür zu schieben und zu schleppen, wuchtete sie aufeinander, um eine Barriere zu bauen. Gabriel glaubte nicht, dass eine Stahltür den Hunderthändigen aufhalten konnte– schon deshalb nicht, weil diese Stahltür ein Fenster aus Sicherheitsglas besaß. Aber vielleicht konnten es die Bilder der Bestie. Der Wurm und der Doktor durften nicht hier hereinkommen.
    In diesem Augenblick ertönte von draußen auf dem Gang ein scharfes Klirren. Gabriels Bestie, die sich noch immer in seinem Bewusstsein festgekrallt hatte, stieß ein hasserfülltes Fauchen aus, und ein roter, zorniger Schleier legte sich über Gabriels Sinne, bis er kaum noch klar denken konnte. Er schob die letzte Kiste vor die Tür. Dann griff er nach einer leeren Wasserflasche und stellte sich schützend vor das Sofa, auf dem Marie lag. Krampfhaft versuchte er, die Tür im Auge zu behalten und zugleich weiter Maries Weg durch die schwarze Stadt zu verfolgen.
    Draußen auf dem Flur ertönten nun Schritte. Viele trippelnde Schritte, wie die einer winzigen Armee. Und dazwischen, etwas dumpfer, die schweren Schritte eines Mannes.
    Dann klopfte es sacht an der Tür.
    Gabriel wagte kaum zu atmen. Sein Biest keuchte rasselnd und schabte mit den Klauen über die Holzdielen. Jemand drückte von außen gegen die Tür– sie bewegte sich keinen Millimeter.
    » Gabriel.« Die sanfte Stimme auf der anderen Seite gehörte Dr. Roth. Fürsorglich. Freundlich. Und verlogen. » Komm schon, ich weiß, dass du da drin bist. Mach auf.«
    » Verschwinden Sie.« Gabriel schloss die Hand fester um den Flaschenhals und biss die Zähne zusammen. Er hatte diesem Mann nichts mehr zu sagen. Und wenn er es wagte, sich den Zutritt zu seinem Reich zu erzwingen, würde er es bitter bereuen.
    » Ich bin nicht euer Feind, Gabriel.« Die Stimme des Therapeuten klang noch immer freundlich, aber jetzt war leise Ungeduld darin zu hören. » Glaub mir, ich will nur dein Bestes. Lass mich dir zeigen, wie du deine Bestie unterwirfst. Du könntest unsterblich sein.«
    Die Tür klapperte leise in ihren Angeln. Aber der Kistenstapel rührte sich nicht, obwohl ihr Gewicht unter normalen Umständen kein Hindernis für die Kraft eines ausgewachsenen Mannes gewesen wäre. Gabriel lächelte triumphierend und hörte sein Biest zufrieden knurren. Dies waren keine gewöhnlichen Bilder.
    » Sagen Sie, was Sie wollen. Ich werde Sie nicht in Maries Nähe lassen. Und Ihren hässlichen Wurm erst recht nicht.«
    Ein Zischen erklang von jenseits der Tür, das keinesfalls aus einer menschlichen Kehle stammte.
    » Wie du willst.« Dr. Roth klang, als würde er tatsächlich bedauern, dass sie zu keiner gütlichen Einigung gelangt waren. Fast hätte Gabriel höhnisch gelacht. » Ich habe es im Guten mit dir versucht. Aber ich habe es dir schon einmal gesagt: Was du tust oder lässt, ist für mich nicht von Belang. Ich werde mir die Feen holen. Und zwar jetzt.«
    Ein Rauschen und Pfeifen, das Gabriel in den Ohren stach, vibrierte in der Luft. Seine Bestie jaulte gequält auf und krümmte sich unter dem scharfen Ton. Und plötzlich drang ein beißender Geruch in
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