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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman
Autoren: Raimund August
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bringe dich nachher zum Bahnhof, wir haben aber noch Zeit.“
    „Ist gut“, sagte er, „aber du hast recht, es ist wirklich schon ganz dunkel.“
    „Hier brennt sowieso den ganzen Tag Licht“, und sie wies auf die Lampenschirme an den Wänden, „da merkt man das nicht so.“
    Er half Irene in ihren Mantel, den sie ebenfalls über eine Sessellehne geworfen hatte und zog sich dann selbst seine Joppe über. Den Weg durch den parkähnlichen Vorgarten bis zum schmiedeeisernen Tor fand er links und rechts von Lampen gesäumt, die ihr Licht in die tiefe Dämmerung warfen. Danach gab es Laternen zwischen kahlen Straßenbäumen, deren Schein ihre Schatten im Gehen vorauswachsen, dann schrumpfen und wieder anwachsen ließ. Sie gingen über regenfeuchte Granitplatten des Bürgersteigs nebeneinander her die Hagenstraße entlang Richtung Roseneckplatz. Es war kühl und Sebastian schlug den Kragen hoch. Sie hakte sich bei ihm ein.
    Das Kaffeestübchen am Roseneck war klein, ein flaches Gebäude. Aus dem Eingang und den Fenstern fiel Licht nach draußen. Neben dem Eingang hing ein Zigarettenautomat.
    „Zigaretten will ich noch mitnehmen“, und er blieb vor dem gefüllten Automaten stehen und besah sich den Inhalt: Overstolz, Kurmark, Camel, Golddollar, Lux … feine, bunte, knisternde Packungen, innen Stanniolsilber, außen herum Zellophan. „Ich habe nur Ostgeld“, sagte er. „Komm, wir gehen einfach rein und trinken ein Bier oder auch Limonade. Ich frag’ vorher, ob die Ostgeld nehmen, oder umtauschen.“ Sebastian hielt Irene die Tür auf. Ihr sieht man den Osten nicht mehr an, dachte er.
    Im erleuchteten Raum saßen einige Leute an Tischen und auf lehnenlosen Hockern an der Theke. Wie in amerikanischen Filmen, meinte Sebastian, als er sich umsah. Irene fiel auf. Sie war elegant gekleidet in einen langen, hellgrauen Wollmantel mit schmalem Pelzkragen und ebensolchem Besatz an den Ärmelstulpen. Es war warm im Dunst von Zigarettenrauch und abgestandenem Bier. Irene öffnete ihren Mantel über einem taubenblauen Kostüm mit knielangem Rock. Alles Westsachen, sagte Sebastian sich und knöpfte seine grüne Joppe auf.
    Hinter der Theke vor einem Regal mit bunten Flaschen war der Wirt mit Bierzapfen beschäftigt.
    „Nehmen Sie auch Ostgeld?“
    „Nehme ich – eins zu fünf.“
    Sebastian nickte. „Dann hätt’ ich gern ein Helles“, und er sah sich nach Irene um.
    „Eine Cola“, sagte die.
    Sebastian wiederholte den Wunsch. „Könnten Sie mir vielleicht noch Ostgeld für den Zigarettenautomaten umtauschen?“
    Der Wirt nickte.
    Als Sebastian sein Ostgeld über die Theke schieben wollte, hörte er neben sich eine Männerstimme: „Ist es vielleicht gestattet, die Rechnung für den Landsmann aus dem Osten zu übernehmen?“
    Sebastian blickte sich um und sah schräg hinter sich einen Herrn in offenem graugrünem Gabardinemantel mit Schulterklappen und dunklen, geflochtenen Lederknöpfen. Eine breite Stirn fiel ihm auf, unter kurzem mittelblondem Haar, blaue Augen, ein kräftiges Kinn, gut rasiert. Ende dreißig vielleicht, schätzte Sebastian, oder auch Anfang vierzig.
    „Danke“, sagte er.
    „Hoffmann“, stellte der Mann sich vor, „Bodo Hoffmann.“
    „Welche Marke“, fragte der Wirt.
    Sebastian sah ihn an. „Overstolz“, sagte er dann und an den Herrn gewandt: „Sebastian Sebaldt.“
    „Die Dame gehört zu Ihnen …“
    „Ja, die Schwester eines Freundes, Fräulein Sasse.“
    Irene stand etwas abseits an einem Tischchen.
    „Es wäre doch schön, wenn Sie etwas näher kommen könnten“, sagte der Mann lächelnd mit einladender Handbewegung.
    Irene kam dann mit ihrer Cola an die Theke und der Wirt legte die Schachtel Overstolz neben Sebastians frisch gezapftes Bier.
    „Na, dann Prost“, sagte Hoffmann und hob sein Glas. Man trank sich zu. Auch Irene nippte an ihrer Cola.
    „Sie kommen aus dem Osten, woher denn da?“
    „Aus der Senftenberger Gegend im Braunkohlegebiet.“
    „Aus Senftenberg …?“
    „Nein, nicht direkt. Aus Großräschen, sieben Kilometer von Senftenberg.“
    „Großräschen?“ Hoffmann runzelte die Stirn und schüttelte dann den Kopf. „Noch nie gehört“, sagte er.
    „Glaube ich gerne“, und Sebastian lachte kurz.
    „Wo liegt denn das, Großräschen?“
    „Etwa hundert Kilometer südöstlich von hier.“
    „Wie lebt sich’s denn da, also ich meine überhaupt im Osten?“
    „Was soll ich sagen? Mehr schlecht als recht ... oder nein“, Sebastian besah sich sein
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