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Alphavampir

Titel: Alphavampir
Autoren: Sandra Henke
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steckte seine Hand hinein. Sein markerschütterndes Gebrüll erfüllte den Saal. Als er seine Hand zurückzog, war sie blutüberströmt. Wie ein Stier scharrte Nubilus mit dem Fuß, zog seinen Kopf zwischen die Schultern und wollte durch den Vorhang aus Staubkörnern brechen. Gerade rechtzeitig hielt der Alphawolf ihn zurück. Die Körner schabten nicht nur die Stoffschichten der Jacke und des Pullis von Nubilus’ Schultern, sondern auch etwas Haut, worauf der Bulle aufjaulte wie ein Welpe. Knurrend warf Claw einen Stuhl auf das Podest. Der Wirbel schabte den Lack vom Holz.
    «Wie ein gigantischer Sandstrahler», rief Nanouk gegen das Säuseln an. «Vielleicht werde ich diese verdammten Fesseln los, wenn ich mich verwandele. Dann könnte ich ...»
    «Nicht! Du würdest dir deine vier Beine brechen. Ich finde einen anderen Weg, dich da rauszuholen.» Kristobal hielt es kaum aus! Er war verdammt, zuzusehen, wie sie verzweifelt an ihren Fesseln zerrte. Zornig schaute er zu Jarek. Er musste ihn zu Fall bringen, dann wäre Nanouk gerettet. Aber wenn er ihn attackierte, würde Jarek den Wirbel innerhalb von Sekunden zu seiner kleinen Werwölfin schicken und sie wäre entstellt oder sogar tot.
    Erst Nanouk, dann Jarek, eine andere Möglichkeit gab es nicht. Allerdings sah er keine Chance zu ihr zu gelangen, ohne die Haut von den Knochen geschmirgelt zu bekommen. Auch die anderen standen fassungslos vor dem Wirbel. An Claws Miene war deutlich zu erkennen, dass er fieberhaft nachdachte.
    Dann geschah etwas, womit niemand gerechnet hatte und das die Situation noch schlimmer machte. Die Sandkörner stießen an die Kerzenständer, die das Podest einrahmten. Sie fielen um, die Kerzen rollten über die Bühne und die Flammen entzündeten das Podium, eine einfache Holzkonstruktion, auf die Linoleum geklebt worden war. Der Läufer, der in einer Ecke lag, fing sofort Feuer. Binnen kurzer Zeit brannte er lichterloh, worauf die Flammen auf die Guillotine übersprangen.
    Das Feuer fraß sich seinen Weg zu Nanouk. Sie drohte zu verbrennen. Panisch zerrte sie an ihren Hand- und Fußfesseln und winselte erbärmlich.
    Kristobal schmerzte der Anblick so sehr, dass er seinen Kopf in den Nacken legte und brüllte. Sein Brüllen ging in ein Wolfsgeheul über, in das die Werwölfe zu seinem Erstaunen einstimmten.
    Er spürte sein Tier erwachen. Kristobal war kein Lykanthrop mehr und würde nie wieder einer sein, dennoch lebte sein Wolf in ihm weiter. Da er jedoch verkümmert war, musste er ihn mit seiner vampirischen Magie stärken. Er hätte nicht gedacht, dass er sein Tier jemals hervorlocken würde, doch nun wurden seine Augen feucht, weil er spürte, dass er in diesem Kampf nicht allein war und dass sein Wolf noch immer für ihn da war.
    Seine Sinne wurden schärfer. Der beißende Geruch des brennenden Linoleums stach ihm in die Nase. Ein Knurren stieg aus seiner Kehle. Seine Gelenke knackten. Schmerzhafte Konvulsionen erschütterten seinen Körper. Seine Hände verwandelten sich zu vampirischen Klauen, blieben jedoch nicht in diesem Stadium, sondern wuchsen zu Pranken an, wie er sie nicht einmal als Werwolf gehabt hatte. Sein Brustkorb brannte höllisch, als er an Volumen zunahm. Seine Muskelstränge vervierfachten sich und dehnten die Haut, so dass seine Kleidung an den Oberarmen und Oberschenkeln aufplatzte. Seine Schuhe explodierten förmlich, weil seine Füße anschwollen und Krallen bekamen.
    Kristobal keuchte. Die Gestaltwandlung war beendet, das spürte er. Aber er lief nicht auf vier Pfoten und war immer noch mehr Mensch als Wolf. Als er an sich herabschaute, erkannte er sich selbst nicht wieder. Seine Haut war dick wie Leder. Er war muskelbepackt und besaß Fesselbehaarung wie ein Ardenner. Seine Statur glich der eines Berserkers. Er spürte die übernatürliche Kraft des Werwolfes durch seine Adern fließen.
    Kristobal war froh, sich nicht im Spiegel betrachten zu müssen. Er bestand zwar nur noch aus Muskeln, hatte allerdings die Schönheit und die Eleganz des Vampirs eingebüßt. Sein Gesicht wollte er sich erst gar nicht vorstellen. Bestimmt sah er aus wie ein lederner Hulk mit halb entwickelter Wolfsschnauze. Das personifizierte Grauen. Das kratzte an seinem Ego, aber er würde alles tun, um seine Amazone zu retten.
    Es fühlte sich keineswegs heroisch an, dass die Vampire und Werwölfe vor ihm zurückwichen, nun, da er bis dicht vor die Bühne trat. Er war wieder der Außenseiter, der er als Jugendlicher gewesen war. Die
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