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Alpenglühen am Broadway (Bronco Baxter - Gay Crime Story 3)

Alpenglühen am Broadway (Bronco Baxter - Gay Crime Story 3)

Titel: Alpenglühen am Broadway (Bronco Baxter - Gay Crime Story 3)
Autoren: Tom Dillinger
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griff
zu einem Notizbuch, in dem er blätterte. Er war etwa sechzig Jahre alt und ich
ahnte, dass er in seiner Jugend sehr gut ausgesehen hatte.
    »Stimmt, um
zehn Uhr«, sagte er. »Sie sind ein bisschen zu früh hier, Mister.«
    »Ich bin gerne
pünktlich.«
    »Das ist gut
so«, schmunzelte er. »Im Theater kann man nicht erst eintreffen, wenn der
Vorhang bereits hochgegangen ist.«
    Unschlüssig
blieb ich vor der Pförtnerloge stehen.
    »Kommen Sie
herein«, forderte Bill mich auf, der unter seinem dunkelgrauen Kittel ein
verwaschenes rot-blau kariertes Flanellhemd und eine hellgraue Hose trug.
»Wollen Sie einen Tee mit mir trinken?«
    Bill bot mir
in der Pförtnerloge einen Stuhl an und griff nach einer alten Porzellankanne,
aus der er Tee in eine Tasse goss. »Mit Zucker oder ohne?«, fragte er, nachdem
ich auf einem Stuhl Platz genommen hatte.
    »Zwei Stück,
bitte«, sagte ich. Bill warf zwei Zuckerwürfel in die Tasse und schob sie mir
zu. Sein rechter Arm zitterte dabei.
     
    An den Wänden
der Pförtnerloge hingen verblichene Plakate längst vergessener Ziegfeld-Shows.
    »Ja, schauen
Sie sich um, das war eine große Zeit am Broadway«, sagte Bill und seine Augen begannen
zu leuchten. »Der gute Florenz Ziegfeld. Ein großer Produzent, vielleicht der
Beste, den es jemals gab. Haben Sie die Ziegfeld Follies noch gesehen?«
    »Das war vor
meiner Zeit«, gab ich zu.
    »Dann haben
Sie etwas versäumt«, sagte Bill. »Ich war auch dabei, aber nicht als Pförtner.«
    »Sie standen
auf der Bühne, nicht wahr?«, sagte ich und trank einen Schluck Tee.
    Er lächelte
mich an. »Ja, ich stand auf der Bühne des New Amsterdam Theatre zwischen
den schönsten Frauen der Welt. Ich sang und ich tanzte und ich galt als sehr
begabt. Die berühmte Schauspielerin Fanny Brice sagte mir eine sagenhafte
Karriere voraus.« Bill öffnete eine Schublade, zog ein Album daraus hervor,
blätterte darin und wies auf ein Foto. »Hier, das bin ich 1912 in der Show The
Ziegfeld Moulin Rouge . Ich war ein französischer Chansonsänger. Und wir
hatten so schöne Melodien.« Mit brüchiger Stimme sang er Daddy has a Sweetheart .
    »Das waren
sicher tolle Zeiten«, sagte ich. »Gut sehen Sie auf dem Foto aus.«
    »Und nun
fragen Sie sich, warum ich an der Pforte sitze?«
    Ich trank
einen weiteren Schluck von dem lauwarmen Tee und nickte.
    »Leider hatte
ich einen Bühnenunfall«, erzählte Bill und sah mich traurig an. »Bei einer
Probe fiel ein Scheinwerfer auf mich, dessen Schrauben sich gelockert hatten,
und traf mich an der rechten Schulter. Mein Kostüm fing zu brennen an und meine
Haut wurde in Mitleidenschaft gezogen. Glücklicherweise blieb mein Gesicht
verschont.« Er seufzte. »Ich wurde zwar wieder gesund, seitdem konnte ich aber
den rechten Arm nicht mehr richtig bewegen. Florenz Ziegfeld bot mir sofort
einen Job an der Theaterkasse an, denn er ließ seine Künstler nie im Stich. Aber
was sollten die Besucher denken, wenn sie mich statt auf der Bühne nun an der
Kasse gesehen hätten?« Bill strich mit einer sanften Bewegung über das
Fotoalbum und legte es zurück in die Schublade. »Also wurde ich Garderobier und
legte den Schauspielern die Kostüme zurecht und half ihnen dabei, sie
anzuziehen. Und als es nach Florenz Ziegfelds Tod keine Ziegfeld Follies mehr gab, wechselte ich an die Pforte dieses Theaters.« Bill blickte auf eine
Wanduhr. »Brenda meldet sich bei mir, wenn sie Sie sehen möchte. Wir haben noch
etwas Zeit«, sagte er und goss Tee nach. »Unser Theater gibt es seit 1924.« Er
wies auf die Plakate an der Wand. »Eleanor Powell tanzte hier in Follow
Thru, auch Anything Goes wurde hier gespielt. Ich traf auch Fanny
Brice wieder, als sie in You said it auftrat. Sie brachte mir immer
selbst gebackenen Kuchen mit. Das waren großartige Zeiten.«
    »Aber heute
läuft es doch auch ganz gut?«, versuchte ich ihn zu trösten.
    Bill strahlte
übers ganze Gesicht. »Die Show Du Barry was a Lady scheint ein Hit zu
werden«, sagte er und lehnte sich zufrieden auf dem Stuhl zurück. »Und das ist
gut so! Falls hier kein Stück läuft, haben wir alle keinen Job. Wir werden nur
pro Woche bezahlt. Haben Sie von dem Flop Swingin‘ the Dream gehört, Mr.
Baxter?«
    »Oh ja, das
Musical wurde im vergangenen Dezember nach nur zwölf Vorstellungen wieder
abgesetzt.«
    »Dreizehn
Vorstellungen«, korrigierte er mich. »Meine Schwester Maggie war dort
Garderobiere. Sie war ebenfalls Tänzerin bei den Ziegfeld Follies , bis
sie dafür zu
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