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Allwissend

Allwissend

Titel: Allwissend
Autoren: Jeffery Deaver
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zurück. Es handelte sich um die Notentriegelung des Kofferraums: ein Handgriff aus lumineszierendem Kunststoff, versehen mit dem komischen Abbild eines Mannes, der aus dem Wagen sprang.
    Aber der Griff blieb knapp außerhalb der Reichweite ihrer Füße.
    Tammy Foster hatte sich fest vorgenommen, nicht mehr zu weinen. Sie war in Tränen ausgebrochen, gleich nachdem der Angreifer sie auf dem düsteren Parkplatz des Clubs von hinten gepackt, ihr den Mund zugeklebt, die Hände auf den Rücken gebunden und sie in den Kofferraum gestoßen hatte, wo er ihr auch noch die Füße fesselte.
    Starr vor Angst hatte die Siebzehnjährige gedacht: Er will nicht, dass ich ihn zu Gesicht bekomme. Das ist gut. Er will mich nicht töten.
    Er will mich bloß einschüchtern.
    Sie hatte sich im Kofferraum umgesehen, den baumelnden Geist entdeckt und versucht, ihn mit den Füßen packen zu können, aber er rutschte immer wieder zwischen ihren Schuhen hindurch. Tammy befand sich in guter körperlicher Verfassung, spielte Fußball und war Cheerleader. Doch aufgrund des ungünstigen Winkels konnte sie die Beine stets nur für ein paar Sekunden anheben.
    Der Geist entzog sich ihr.
    Das Auto fuhr weiter. Mit jedem Meter wuchs Tammy Fosters Verzweiflung. Sie fing wieder an zu weinen.
    Nicht, nicht! Deine Nase wird verstopfen, und du erstickst. Sie riss sich zusammen.
    Eigentlich musste sie um Mitternacht zu Hause sein. Ihre Mutter würde sie vermissen - falls sie nicht betrunken auf der Couch lag, weil es mit ihrem aktuellen Freund irgendein Problem gab.
    Ihre Schwester würde Tammys Abwesenheit bemerken müssen, sofern sie nicht im Internet oder am Telefon hing. Was natürlich der Fall war.
    Fling.
    Das gleiche Geräusch wie zuvor schon einmal: das Klirren von Metall, als er etwas auf die Rückbank geladen hatte.
    Tammy dachte an einige Gruselfilme, die sie gesehen hatte. Brutale, abstoßende Streifen. Mit Folter und Mord. Wofür Werkzeuge benutzt wurden.
    Denk an was anderes. Tammy konzentrierte sich auf den baumelnden grünen Geist der Notentriegelung.
    Und vernahm ein neues Geräusch. Das Meer.
    Schließlich hielten sie, und er schaltete den Motor aus. Die Rückleuchten erloschen.
    Das Auto schaukelte, als der Mann sich auf dem Fahrersitz umwandte. Was machte er da? Irgendwo in der Nähe ertönte der kehlige Ruf einer Robbe. Sie befanden sich an einem Strand, der zu dieser Nachtzeit vollkommen menschenleer sein würde.
    Eine der Wagentüren ging auf und wieder zu. Eine zweite wurde geöffnet. Abermals das metallische Klirren von der Rückbank.
    Folter... Werkzeuge.
    Die Tür wurde lautstark zugeworfen.
    Und Tammy Foster brach zusammen. Sie fing an zu schluchzen und schaffte es kaum noch, die schlechte Luft einzuatmen. »Nein, bitte, bitte!«, rief sie, obwohl die Worte durch das Klebeband erstickt wurden und wie eine Art Stöhnen klangen.
    Tammy schickte ein Stoßgebet nach dem anderen zum Himmel, während sie auf das Klicken des Kofferraumdeckels wartete.
    Die Wogen brachen sich. Die Robben schrien.
    Sie würde sterben.
    »Mama.«
    Doch dann... nichts.
    Der Kofferraum ging nicht auf, auch keine der Wagentüren, und es näherten sich keine Schritte. Nach drei Minuten bekam Tammy das Weinen in den Griff. Die Panik ließ nach.
    Fünf Minuten vergingen, und er hatte den Kofferraum noch immer nicht geöffnet.
    Zehn Minuten.
    Tammy lachte leise und ungläubig auf.
    Es war bloß blinder Alarm. Der Kerl würde sie nicht töten oder vergewaltigen. Jemand hatte sich einen üblen Scherz mit ihr erlaubt.
    Sie verzog den Mund unter dem Klebeband sogar zu einem Lächeln, als der Wagen sich plötzlich ein winziges Stück bewegte. Das Lächeln verschwand. Der Camry schaukelte erneut in einer sanften Bewegung vor und zurück, allerdings etwas stärker als beim ersten Mal. Sie hörte ein Plätschern und erschauderte. Tammy wusste, dass eine Welle gegen das vordere Ende des Wagens geschlagen war.
    0 mein Gott, nein! Er hatte sie hier am Strand zurückgelassen, und nun kam die Flut!
    Der Wagen sank in den Sand ein, weil das Wasser die Reifen unterspülte.
    Nein! Sie hatte vor kaum etwas so viel Angst wie vor dem Ertrinken. Und davor, an einem engen Ort wie diesem festzustecken. Es war unvorstellbar. Tammy fing an, gegen den Kofferraumdeckel zu treten.
    Doch natürlich war außer den Robben niemand da, der sie hätte hören können.
    Das Wasser umspielte nun geräuschvoll die Seiten des Toyotas.
    Der Geist...
    Es musste ihr einfach irgendwie gelingen, den
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