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Allerlei Schnick-Schnack

Titel: Allerlei Schnick-Schnack
Autoren: Georg Bötticher
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zu erdenken.
    Eigentlich war beinah jeder Gegenstand von ihm ganz neu zu schaffen, da die alte Form meist nichts taugte, ja im Laufe der Zeit ganz unsinnig geworden war. So existierte, seiner Ansicht nach, noch keine vernünftige Form von Streichholzschachteln. Auch über Zahnstocher hatte Meschuggi von allen Vorhandenem merkwürdig abweichende Ansichten. Die Fabrikanten waren ja willens, dem genialen Fluge seiner Phantasie Folge zu leisten; doch bei dem Publikum fand er häufig noch den Widerstand, den Borniertheit stets dem Neuen entgegensetzt. Auch veranlaßte die Beschränktheit mancher Besteller allerlei verdrießliche Mißverständnisse Ein Agent, der ihn mit der Anfertigung von Entwürfen zu allen möglichen Artikeln gequält, hatte seine Komposition eines Briefpapiers von etwas länglichem Format als » Hosenträgermuster « einer Fabrik verkauft, die damit sogar – ein Beweis für den Blödsinn des Publikums – große Erfolge erzielte! Ein Schlipsfabrikant, der ihn fast fußfällig um einen Entwurf gebeten, hatte den ihm endlich abgerungenen, der in drei originell gestellten Punkten bestand, derartig mißverstanden, daß er die drei Punkte als »Kleckse« wegließ und nur das Monogramm des Künstlers als Muster vervielfältigte – ohne daß es Käufer und Verkäufer aufgefallen war!
    Doch das waren schließlich Kleinigkeiten. Im ganzen durfte er mit seinen Erfolgen mehr als zufrieden sein. Sein Name gehörte zu den meistgenannten und entschieden gefeiertsten der ganzen deutschen Künstlerschaft und selbst im Auslande fingen sie an, mit hohem Respekte seiner Erwähnung zu thun.
    So! Der letzte Strich an der Komposition – ein neues Blatt in seinen Ruhmeskranz – war getan. Meschuggi konnte sich nicht enthalten – er war ja allein – das Blatt mit einigem Stolze zu betrachten. Es stellte den Dichter Petrarka sitzend dar, in seinem Schoße ein Gefäß haltend, neben ihm Laura mit einem ähnlichen Gefäß in den Händen – die Komposition eines Tintenfasses, in Guttaperchastoff auszuführen. Petrarka hielt die Sandbüchse. Wenn man Laura drückte, so trat Tinte in ihr Gefäß – eine sinnige Anspielung an die Quelle von Petrarkas unsterblichen Poesieen . . .
    Meschuggi schnitt das Blatt ab, rollte es zusammen und verschloß es in einem der großen Wandschränke. Dann stülpte er seinen Kalabreser auf, warf noch einen Rundblick über all die umherstehenden Kartons und Bretter – denn er pflegte grundsätzlich Kompositionen während seiner Abwesenheit nie frei stehen zu lassen – und verließ dann, da er nichts als den großen verschmierten Papierbogen bemerkte, auf dem er die Pinsel zu proben pflegte, beruhigt und in gehobener Stimmung sein Atelier.
    In seiner »Stammkneipe« fand er's heute besonders angenehm. Nicht nur, daß eine ganze Anzahl jüngerer Künstler zugegen, die sein Eintreten höchst schmeichelhaft jubelnd begrüßten, sondern es brachten auch gerade heute fünf oder sechs Blätter sein Bild mit eingehender Würdigung seiner Verdienste, wobei er in dem einen sogar als »Vater des jungen Stils« gefeiert ward. Die Blätter gingen an seinem Stammtische natürlich von Hand zu Hand, unzählige Male ward auf ihn angestoßen und er leben gelassen. Kurz, es war ein so fideler Abend, daß der Gefeierte nach schwerer Sitzung erst am frühen Morgen heimkehrte und durch sein Atelier schwankend und dieses unverschlossen lassend sofort in sein Schlafzimmer schoß, wo er sich hastig entkleidete und sogleich in tiefen Schlaf verfiel . . .
    Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als er erwachte und auf seine Uhr blickend gewahrte, daß es bereits auf Elf ging und sich schnell in die Kleider warf. Im Atelier fand er auf dem Tische einen Brief von unbekannter Hand. Briefe wurden ihm sonst nur durch den Kasten vor der Tür übermittelt – er mußte also gestern Nacht sein Atelier nicht verschlossen haben. Mißtrauisch sah er sich um, es schien aber nichts zu fehlen, nur den Schmierbogen mit den Farbenstrichen sah er nicht. Er öffnete den Brief, der einige Kassenscheine enthielt, und las:
    »Teuerster Meister!
    Sie schliefen noch, als ich kam, und ich wagte natürlich nicht, Ihren kostbaren Schlaf zu stören. Das geniale Tapetenmuster aber, auf Ihrer Staffelei, habe ich – verzeihen Sie die Kühnheit – gleich mitgenommen und erlaube mir, Ihnen dafür inliegend 300 Mark in Kassenscheinen zu überreichen, mit der Bitte, mir noch einen dazu passenden Fries zu entwerfen.
Hochachtungsvoll
C. Keller,
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