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Aller Heiligen Fluch

Aller Heiligen Fluch

Titel: Aller Heiligen Fluch
Autoren: Elly Griffiths
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und das Bild eines Koalabären füllt den Monitor. Aber Koalabären können doch unmöglich vom Aussterben bedroht sein? Sie kommen schließlich in allen Werbeanzeigen vor.
    Cathbad steht vor einer Vitrine mit der Aufschrift «Wanderalbatros».
    «Das wäre doch ein toller Name, nicht?», sagt er. «Wandernder Albatros.»
    «Bitte sei so gut und nenn dein nächstes Kind nicht Albatros.»
    «Ich bekomme kein Kind mehr», sagt Cathbad.
    Sie betreten das nachgebaute Arbeitszimmer, wo der Hirschkopf immer noch von der rotgestrichenen Wand herabschaut. Ruth betrachtet die Wachsfigur von Lord Percival Smith, dem Mann, der es für eine gute Sache hielt, Menschenknochen zu sammeln und sie in Kisten aufzubewahren. Ihr fällt auf, dass das Schild mit der Aufschrift «Abenteurer und Tierpräparator» verschwunden ist. Bob und Caroline werden sicher eine Formulierung finden, die ihn besser beschreibt.
    Diesmal nehmen sie nicht den Durchgang, der in den Saal für Lokalgeschichte führt, sondern den mit der Aufschrift «Sammlung Neue Welt». Und dort findet sich tatsächlich eine neue Welt: ein langer, heller, weiß gestrichener Raum, dessen Türen auf eine Veranda hinausgehen. Die Regenbogenschlange füllt mit bunten Farbklecksen die Wände, dazwischen finden sich stark vergrößerte Wörter aus Bobs Gedichten. Es gibt eine Vitrine mit Kinderzeichnungen und ein Känguru aus Pappmaché zu bestaunen. Ruth fragt sich, wohin wohl Lord Smiths Brenneisen und Dingofallen verschwunden sind. Falls sie hier noch irgendwo sein sollten, sind sie von schwarz-rot-gelben Fahnen verdeckt. Australien ist ein Land der Grundfarben – Dunkelheit hat hier keinen Platz.
    Am Ende des Saals schenkt Caroline Smith in einem prachtvollen goldenen Kleid mit stilisiertem Aborigine-Muster Champagner aus. Der Tisch neben ihr biegt sich unter Essen und Getränken und ist mit Kiefernzweigen dekoriert. Der Duft erinnert Ruth an ihren erträumten Weihnachtsbaum. Clough tut sich bereits am Buffet gütlich, und etliche Lokaljournalisten schlendern mit Gläsern in der Hand herum. Neben Caroline steht ein attraktiver Mann im schwarzen Anzug und versprüht Charme.
    «Darf ich euch meinen Bruder Randolph vorstellen?», sagt Caroline.
    Das also ist der Mann, den Judy immer nur den «Räuber» nennt. Er wirkt tatsächlich sehr verwegen, wie der Held aus einem Georgette-Heyer-Roman. Cathbad und Ruth geben ihm die Hand, und Randolph macht ein wenig Smalltalk über den Anlass und das Wetter (sonnig, aber kalt).
    «In Australien sieht es sicher anders aus.»
    Bob Woonunga hat Ruth erzählt, dass er den Winter in Australien verbringen wird. «Im Dezember brauche ich einfach Wärme.» Ruth muss an ihre Freundin denken und an die Weihnachtskarten mit dem Weihnachtsmann beim Sonnenbad. Ihr käme Weihnachten in der Sommerhitze einfach verkehrt vor. Trotzdem muss sie zugeben, dass die ganze Geschichte sie dazu gebracht hat, Australien mit neuem Interesse zu betrachten. Sie sieht sich durch roten Sand laufen und den Sonnenuntergang über dem Ayers Rock beziehungsweise dem Uluru, wie Caroline ihn immer nennt, betrachten. Sie malt sich blaues Meer und endlose Sandwüsten aus, die die Große Regenbogenschlange höchstselbst geschaffen hat. Sie denkt an die Seelen, die aus Schlamm geformt wurden, an die Wolken- und die Regengeister und an die Dämonen, die bei Nacht Jagd auf Kinder machen. Doch, ihre Vorstellung von dem Land hat sich seit
Nachbarn
sehr erweitert, und das verdankt sie wohl wirklich ihrem eigenen netten Nachbarn. Alles in allem freut sie sich darauf, wenn Bob zu Trimesterbeginn wiederkommt.
    Sie pflichtet Randolph bei, dass in Australien sicher so manches anders ist, und nach ein paar weiteren Höflichkeitsfloskeln wendet er sich ab, um weitere Neuankömmlinge zu begrüßen. Ruth nimmt sich eine Handvoll Chips und sieht sich nach jemandem um, mit dem sie sich unterhalten könnte. Wenn Max kommt, möchte sie gern in ein Gespräch vertieft sein und nicht wie der letzte Loser allein am Buffet stehen.
    «Hallo, Ruth.» Clough. Der Einzige, den man unter Garantie immer da findet, wo es Essen gibt. Ruth begrüßt ihn überschwänglich. Sie fragt sich, ob Nelson wohl schon da ist.
    «Hallo, Clough. Wie geht es Ihnen?»
    «Ich schlag mich so durch.» Clough lächelt tapfer. Er wurde für eine Tapferkeitsmedaille vorgeschlagen und humpelt immer noch gelegentlich – wenn er gerade daran denkt. «Und Sie? Wie geht es Ihrem Baby?»
    «Bestens. Eigentlich ist sie ja gar kein Baby
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