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Alleinerziehend mit Mann

Alleinerziehend mit Mann

Titel: Alleinerziehend mit Mann
Autoren: Monika Bittl , Silke Neumayer
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Ladenschluss schnell abzuholen.
    Nun, Ikea ist für berufstätige Mütter auf Dauer wohl keine Lösung. »Die kleine Marie-Jeanette möchte dringend vom Kinderparadies abgeholt werden.« Und die Mama sitzt im Büro. Nicht so wirklich praktikabel.
    Kind und Job sind zwei Dinge, die immer irgendwann miteinander kollidieren. Egal, welchen Job man macht, und egal, welche Art von Kinderbetreuung man findet. Das, was wir brauchen, ist eine möglichst gute Vereinbarkeit von Job und Familie und viel Improvisationstalent. Das gilt für Mütter wie für Väter.
    Männer können das Thema Kinderbetreuung im Übrigen oft erstaunlich, nun ja, nennen wir es mal: kreativ lösen. Ich kenne einen Vater, der seine Tochter Luisa Samstags mal schnell in der Früh um zehn bei der benachbarten Familie einer Kindergartenfreundin seiner Tochter abgegeben hat mit den Worten: »Ich bin nur schnell mal eine halbe Stunde beim Joggen. Luisa kann doch so lange bei euch bleiben?« Klar. Kann sie. Kein Problem. Luisa und Marie verstehen sich supergut. Luisa wurde dann abends um acht Uhr wieder abgeholt. Von einer völlig fassungslosen Luisa-Mutter, die nach einem Tag Wochenendfortbildung beim Nachhausekommen abends nur ihren Mann alleine vor dem Computer völlig in ein Ballerspiel vertieft vorgefunden hatte. Er hatte Luisa nicht vergessen. Er hatte nur einfach nicht mehr an sie gedacht.

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    2. Mutter Natur
    J ede Zeit hat ihre eigenen Wahrheiten. Heute glauben wir zwar nicht mehr, dass außerehelicher Geschlechtsverkehr direkt in die Hölle führt oder die Erde eine Scheibe ist, aber eins halten wir für ganz selbstverständlich: die »natürliche Mutterliebe« und alle Mythen, die sich aus dieser Behauptung ergeben.
     
    Erste Zweifel am meiner natürlichen Mutterliebe beschleichen mich, als mein erstes Kind vier Wochen alt ist. Lukas ist ein Schreibaby und mein Mann seit zwei Wochen wieder in der Arbeit mit plötzlich sehr, sehr vielen Überstunden. Lukas schreit. Lukas schläft eine Stunde. Lukas schreit wieder. Und ich probiere das ganze Programm durch: füttern, Windeln wechseln, wiegen, ruhig halten, füttern, Windeln wechseln, wiegen, ruhig halten … und alles wieder von vorne. Trial-and-Error-Verfahren, das manchmal hilft, manchmal auch nicht. Und ich schäme mich dafür, schäme mich zutiefst dafür, weil meine Schwiegermutter doch schon während meiner Schwangerschaft mehrmals gesagt hatte, wir würden das mit dem Kind sicher gut hinkriegen, denn: »Eine Mutter erkennt am Schreien, was dem Kind fehlt.« Ich fühle mich zunehmend elend, weil ich auch vier Wochen nach der Entbindung keineswegs erfühlen kann, warum mein Sohn denn nun schreit. Jeder Erfolg der Ruhe ist nur dem schieren Zufall geschuldet.
     
    »Was hat er denn?«, fragt mein Mann, als Lukas plötzlich wieder wie eine Sirene losbrüllt.
    Ich zucke mit den Schultern. »Ich weiß es nicht, ich probiere einfach alles durch.«
    »Meine Mutter sagt immer, dass sie an unserem Schreien erkannt hat, was uns fehlte.«
    Seine
Mutter hat also mehr natürliche Mutterliebe in sich gehabt als ich. Aha.
Seine
Mutter ist und bleibt vermutlich sowieso die beste Mutter auf der Welt. Gegen deren Mythos werde ich nie eine Chance haben.
Seine
Mutter weiß ja auch, dass ich die Zeit mit Baby genießen soll, denn sie vergeht so schnell.
    Ich hingegen suche vier Wochen nach der Entbindung verzweifelt nach einem Genuss in einer Welt, die nur aus urplötzlichem Sirenengeheul besteht, die keinen Schlaf, kein Schminken und nicht einmal mehr einen ungestörten Toilettenbesuch zulässt. Und ich frage mich, ob ich je eine liebende Mutter sein kann, wo ich doch nicht einmal erkenne, warum mein Kind schreit! Dazu noch der Kommentar meines Mannes über
seine
Mutter – das männliche Einfühlungsvermögen ist an dieser Stelle nur von der Frage »Hast du deine Tage?« übertroffen.
     
    Tief im Inneren schäme ich mich weitere drei Monate dafür, offenbar keinen natürlichen Mutterinstinkt zu besitzen. Haben nicht Kulturpessimisten jeglicher Couleur recht, und unsere neue Muttergeneration ist von Grund auf degeneriert? Die Momente, in denen ich mich nur noch ins Büro zurückwünsche, frisch geduscht, sauber angezogen und vor allem ausgeschlafen, beschäftigt mit einem geistigen Inhalt, steigen proportional zu den Schreiphasen meines Kindes.
    Doch eines Tages, plötzlich, rund vier Monate nach der Entbindung, ertappe ich mich dabei, wie ich, bei Sonnenschein im Park spazieren gehend, in den Kinderwagen
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