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Alle Weihnachtserzählungen

Alle Weihnachtserzählungen

Titel: Alle Weihnachtserzählungen
Autoren: Aufbau
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Betrieb?“
    „Ja“, erwiderte der Herr, „allerdings wünschte ich mir, ich könnte nein sagen.“
    „Die Tretmühle und das Armengesetz sind auch noch voll wirksam?“ fragte Scrooge.
    „Beide nur zu sehr, Sir.“
    „Oh, ich fürchtete schon, nach dem, was Sie zuerst sagten, es wäre etwas geschehen, was ihre nützliche Tätigkeit beendet hätte“, sagte Scrooge. „Ich freue mich, das zu hören.“
    „Unter dem Eindruck, daß sie der Mehrheit kaum christlichen Trost an Leib und Seele bieten“, erwiderte der Herr, „bemühen sich einige von uns, Geld zu sammeln, damit wir den Armen etwas zu essen und zu trinken sowie warme Kleidung kaufen können. Wir haben diese Zeit gewählt, weil gerade jetzt die Not am stärksten empfunden wird und der Überfluß Freude bereitet. Was darf ich für Sie einsetzen?“
    „Nichts!“ erwiderte Scrooge.
    „Sie möchten ungenannt bleiben?“
    „Ich möchte allein gelassen werden“, sagte Scrooge. „Da Sie mich fragen, was ich wünsche, meine Herren, ist das meine Antwort. Ich bereite mir selbst keine frohen Weihnachten und kann es mir nicht leisten, Faulenzer fröhlich zu machen. Ich unterstütze die Einrichtungen, die ich erwähnt habe. Sie kosten schon genug. Diejenigen, denen es schlecht geht, müssen eben dorthin gehen.“
    „Viele können nicht dorthin gehen, und viele würden lieber sterben.“
    „Wenn sie lieber sterben würden“, sagte Scrooge, „sollten sie es tun und dadurch den Bevölkerungsüberschuß vermindern. Übrigens – entschuldigen Sie – weiß ich das nicht.“
    „Sie sollten es aber wissen“, bemerkte der Herr.
    „Das ist nicht meine Angelegenheit“, entgegnete Scrooge. „Es genügt, wenn ein Mann etwas von seinen eigenen Angelegenheiten versteht und sich nicht in die anderer einmischt. Meine beschäftigen mich vollends. Guten Tag, meine Herren!“
    Da die Herren einsahen, daß es sinnlos war, ihr Ziel weiterzuverfolgen, zogen sie sich zurück. Scrooge nahm seine Arbeit mit einer besseren Meinung von sich wieder auf und befand sich in einer gehobeneren Stimmung, als das sonst der Fall war.
    Inzwischen hatte sich der Nebel so verdichtet und die Dunkelheit so zugenommen, daß die Menschen mit flackernden Kerzen umherliefen und sich anboten, vor den Pferdekutschen her zu laufen und ihnen den Weg zu zeigen. Der ehrwürdige Kirchturm, dessen heisere, alte Glocke durch ein Spitzbogenfenster im Mauerwerk sonst verstohlen auf Scrooge heruntersah, wurde unsichtbar und zeigte die Stunden und Viertelstunden in den Wolken an, wobei hinterher ein Zittern in der Luft hing, als ob dort oben in seinem verfrorenen Kopf die Zähne klapperten. Es wurde immer kälter. In der Hauptstraße, an der Ecke des Hofes, besserten einige Arbeiter die Gasleitung aus. Sie hatten in einer Kohlenpfanne ein großes Feuer angezündet, um das sich eine Gruppe zerlumpter Männer und Jungen scharte, die sich die Hände wärmten und verzückt in die Glut blinzelten. Da der Wasserhahn unbeachtet gelassen worden war, erstarrte das langsam überfließende Wasser und gefror zu menschenfeindlichem Eis. Der Lichtschein aus den Geschäften, wo Stechpalmenzweige mit Beeren in der Hitze der Schaufensterlampen knisterten, warf auf die blassen Gesichter der Passanten einen rötlichen Schimmer. Geflügel- und Feinkosthandel wurden ein großes Vergnügen: ein prächtiges Zurschaustellen, daß es kaum möglich war, zu glauben, derartig öde Prinzipien wie Einkauf und Verkauf hätten irgend etwas damit zu tun. Der Bürgermeister in der Festung seines mächtigen Herrenhaus erteilte seinen fünfzig Köchen und Kellermeistern den Befehl, Weihnachten so zu feiern, wie es dem Haushalt eines Bürgermeisters zukommt, und sogar der kleine Schneider, dem er am vergangenen Montag noch fünf Schilling Geldstrafe wegen Trunkenheit und Rauflust auf der Straße auferlegt hatte, rührte in seinem Dachstübchen den Pudding für den morgigen Tag, während sich seine magere Frau mit dem Baby auf den Weg machte, um den Rinderbraten einzukaufen. Es wurde noch nebliger und noch kälter. Eine durchdringende, schneidende, beißende Kälte. Wenn der gute heilige Dunstan dem bösen Geist mit einem Hauch dieses Wetters um die Nase gefahren wäre, statt die ihm sonst vertrauten Waffen zu gebrauchen, hätte er wahrhaftig ein kräftiges Gebrüll erhoben. Der Besitzer einer kleinen, jungen Nase, die von der hungrigen Kälte angenagt und angeknabbert war wie Knochen von Hunden, bückte sich zu Scrooges Schlüsselloch
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