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Alle Rache Will Ewigkeit

Alle Rache Will Ewigkeit

Titel: Alle Rache Will Ewigkeit
Autoren: Val McDermid
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genoss sie einfach das Katz-und-Maus-Spiel? Was immer es sein mochte, Charlie war Lisas Charme erlegen.
    Die Erfahrung, dass sie über die genaue Bedeutung von Lisas Worten nachgrübelte, war Charlie inzwischen vertraut. Seit dieser ersten Begegnung summte der Äther. Eine E-Mail folgte der anderen, und es ging hier bei weitem nicht nur um berufliche Dinge. Ein prickelnder Flirt hatte sich entsponnen.
    Nach Charlies Erfahrung gab es zwei Arten von klinischen Psychiatern. Diejenigen, die sich ganz bewusst niemals Fragen über sich selbst stellten, und die, die jeden Aspekt ihres Lebens dem gleichen forschenden Blick unterwarfen, der sonst ihren Patienten galt. Charlie wünschte sich oft, sie möge nicht dazu verdammt sein, zu diesen Sklaven der Selbstanalyse zu gehören. Andererseits erklärte es teilweise, wieso sie von Lisa so fasziniert war. Je unergründlicher die Äußerungen dieser Frau waren, desto mehr reizte es Charlie, ihre Bedeutung aufzudröseln. Es war ihr klar, dass sie flirteten. Dass sie miteinander, mit Ideen und mit der Gefahr flirteten.
    Vielleicht solltest du darüber nachdenken, was der Absender dir nicht geschickt hat? Oft kommt es auf die fehlende Information an …
Was hatte Lisa damit eigentlich gemeint, fragte sich Charlie, während sie den Bildschirm anstarrte. Bezog sie sich einfach auf die Zeitungsartikel, oder war dies ein weiteres Beispiel versteckter Zweideutigkeit? Lisa gab ihr das Gefühl, als unterhöhle ein Schwarm Termiten das stabile Fundament ihrer Beziehung mit Maria.
    Charlie wusste, dass es falsch war, dieses riskante Spiel zu spielen, aber jedes Mal, wenn sie beschloss, es aufzugeben, war da eine SMS oder eine E -Mail, die ihre Aufmerksamkeit in Anspruch nahm und eine Antwort erforderte. Es war so hoffnungslos wie bei manchen ihrer Patienten. Sie konnte nicht widerstehen, und dabei wusste sie doch genau, dass es schlecht für sie war. Sie war nicht einmal sicher, dass die Frau eine Lesbe war. Das Flirten und die Andeutungen waren vielleicht einfach ihre natürliche Art, sich zu geben. Nur ein kleiner Teil ihrer Kommunikation hatte den persönlichen Bereich gestreift, sehr oft war es ein Wettstreit gewesen, bei dem sie einander neckten. Vielleicht lag Charlie total daneben. Ja, soweit sie wusste, konnte Lisa hetero sein. Und die ganze Aufregung war nicht mehr als ein Wunschtraum. Mit einem resignierten Seufzer wandte sich Charlie wieder dem Inhalt des Umschlags zu.
    Die Zeitungsausschnitte waren ganz klar nur eine Auswahl dessen, was in den Medien veröffentlicht worden war. Konnte es sein, dass die Antwort in den Artikeln lag, die fehlten? Ungeduldig rief sie Google News auf und gab den Namen des Opfers ein. Im Bruchteil einer Sekunde wurde eine Liste von allem angezeigt, was die Medien über den Mord an Philip Carling gebracht hatten. Es gab Dutzende Treffer, selbst wenn man mit einrechnete, dass Google ähnliche Artikel aussortiert hatte.
    Charlie brauchte ihre Zeit für andere, dringendere Dinge. Zum Beispiel dafür, ihre dahinschwindende Karriere wiederzubeleben. Aber manchmal konnte man der Zerstreuung nicht widerstehen. Charlie beschloss, die Links einen nach dem anderen durchzugehen, und rief den ersten Artikel der Liste auf. Die erste Erkenntnis kam im zweiten Artikel, auf den sie zugriff, ein Bericht im
Daily Telegraph,
der sich mit Dr. Magda Newsam befasste. Schlagartig wurde Charlie klar, dass die verwitwete Braut für sie keine Fremde war. Der Name Magdalene Carling hatte ihr nichts gesagt. Aber die andere Identität ließ Charlie aus ihrem wissenschaftlichen Eifer aufschrecken und machte sie betroffen. Sie war erschrocken, gar nicht bemerkt zu haben, dass die Frau im Zentrum dieser Tragödie eine Person war, die sie von früher kannte. Plötzlich fing alles an, einen Sinn zu ergeben.
    »Armes Mädchen«, sagte sie leise mit vom Mitgefühl erstickter Stimme. Als ihr klarwurde, welchen Platz Magda in dem Mordprozess einnahm, wurde eine Tatsache unbestreitbar. Wer immer der Absender des mysteriösen Kuverts war, diese Person hatte damals vor vielen Jahren mit großer Sicherheit zum Leben im College gehört. Es war allgemein bekannt gewesen, dass Charlie während ihres Studiums Kurse bei Corinna, Magdas Mutter, belegte und gelegentlich für ihre Kinder den Babysitter spielte. War es Corinna Newsam selbst gewesen, oder hatte jemand anderes die Fotokopien geschickt? Aber auch dann blieb die Frage nach dem Warum unbeantwortet.
    Systematisch wie immer ging Charlie
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