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Alicia II

Alicia II

Titel: Alicia II
Autoren: Robert Thurston
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die­sem klei­nen Ba­stard kein Er­be hin­ter­las­sen, dar­auf kannst du wet­ten. Ko­misch, aber ich dach­te, du wärst be­reits weg, Er­nie. Das soll na­tür­lich kein …«
    »So wird es wahr­schein­lich sein. Ich bin nicht Er­nie. Die­ser Kör­per mag ihm ge­hört ha­ben, doch ich fürch­te, er ist da­hin.«
    Ich glau­be, ich sprach wie der ty­pi­sche kal­te Fisch. Eis schim­mer­te auf mei­nen Schup­pen. Er­nies Freund nick­te und hak­te einen schwie­li­gen Dau­men in den Gür­tel sei­ner Ro­be.
    »Tut mir leid, ent­schul­di­gen Sie«, mur­mel­te er, sei­ne Wut hin­un­ter­wür­gend. Dann schlän­gel­te er sich in einen an­de­ren Teil des Wa­gens. Wäh­rend der gan­zen Fahrt blick­te er oft mit sei­nen be­wölk­ten, kum­mer­vol­len Au­gen zu mir hin­über.
     

 
7
     
    Wenn ich woll­te, könn­te ich ei­ne hübsch ro­man­ti­sche Dar­stel­lung mei­nes Ab­schieds von Ali­cia auf dem ge­drängt vol­len La­kes­ho­re-Bahn­hof im Cle­ve­land-Me­glop ge­ben. Die Ein­zel­hei­ten re­tu­schie­ren, die An­deu­tung ei­ner spä­te­ren Nei­gung in ih­ren trä­nen­ge­füll­ten Au­gen er­ken­nen (tat­säch­lich strahl­ten die­se Au­gen fröh­lich und hiel­ten si­cher schon nach neu­en Aben­teu­ern Aus­schau). Aber wir sol­len den Pfad der Lie­be nicht mit künst­li­chen Ro­sen be­streu­en. Al­les spiel­te sich ge­hetzt ab. Atem­lo­se Er­klä­run­gen, Ver­spre­chen, sich wie­der­zu­se­hen, die doch ge­bro­chen wur­den, ein ver­rück­tes Hin­stür­zen zum Aus­gang. Viel­leicht zaus­te ich kurz ih­re blon­den Lo­cken, viel­leicht strei­chel­te ich ihr wie ein gu­ter On­kel den Kopf, war einen Au­gen­blick lang trau­rig über den Ab­schied, so in der Art. Aber es be­schäf­tig­te mich viel mehr, daß ich nun mit mei­nem zwei­ten Le­ben an­fan­gen konn­te. Mein Kör­per be­gann, ord­nungs­ge­mäß zu funk­tio­nie­ren, und ich brann­te dar­auf, ihn zu er­pro­ben. Ich sehn­te mich da­nach, lan­ge ent­behr­te Freu­den zu ge­nie­ßen.
    In mei­ner ers­ten Le­bens­span­ne war ich ein sol­cher Ein­sied­ler ge­we­sen, daß ich mei­ner Mei­nung nach in die­ser Run­de ein er­füll­teres Da­sein brauch­te – et­was Bes­se­res, als mich tief in ei­ner un­ter­ir­di­schen Höh­le mit ei­ner En­kla­ve von Ex­pe­ri­men­ta­to­ren zu ver­gra­ben, die eben­so ere­mi­ten­haft ver­an­lagt wa­ren wie ich. Wenn ich jetzt mit ei­nem Ab­stand von ei­ner gan­zen Le­bens­span­ne auf mein ers­tes Le­ben zu­rück­bli­cke, fin­de ich in mei­ner Er­in­ne­rung nur noch die tri­via­len Ein­zel­hei­ten des All­tags. Mei­ne Kennt­nis­se wur­den da­mals miß­braucht und sind heu­te ver­al­tet, und ich ha­be so­gar je­ne Tat­sa­chen und Theo­ri­en ver­ges­sen, die je­de wa­che Mi­nu­te mei­ner Zeit in der En­kla­ve er­füll­ten. Nichts von mei­nen dort ge­mach­ten Er­fah­run­gen lie­fert Stoff für Er­zäh­lun­gen ei­nes al­ten Man­nes von der großen Ver­gan­gen­heit. Ich hei­ra­te­te in­ner­halb der Grup­pe, das ta­ten wir al­le. Ei­ner von uns war so­gar Spe­zia­list für In­zucht, was An­laß zu ei­ni­gen an­stö­ßi­gen, aber echt ko­mi­schen Wit­zen gab. Se­len­as Fach­ge­biet war die So­zio­ge­ne­tik. Sie war ein Mäd­chen mit sanf­tem Ge­sicht und un­ter­ent­wi­ckel­tem Kör­per. Ob­wohl wir aus­ge­zeich­net zu­sam­men ar­bei­te­ten, reg­ten wir uns nur sel­ten zu se­xu­el­ler Lei­den­schaft an.
    Schließ­lich wur­de der se­xu­el­le Akt über­flüs­sig, und wir ver­zich­te­ten dar­auf. Un­ser Bett sack­te an den Sei­ten statt in der Mit­te ein.
    Zu Be­ginn der mitt­le­ren Jah­re, wenn der­lei fast un­ver­meid­lich ist, hat­te ich ei­ne Af­fä­re mit Lan­na Pe­ter­sen, ei­ner funk­tio­nell at­trak­ti­ven brü­net­ten Pro­gram­mie­re­rin. Doch wenn sie sich auch mehr sexy gab als Se­le­na, war im Bett ei­gent­lich nicht viel Un­ter­schied.
    Mein Le­bens­werk ist zu­sam­men­ge­schmol­zen zu ei­ner Fuß­no­te in ei­ner Fach­zeit­schrift, die sel­ten zu Ra­te ge­zo­gen wird. Se­le­na starb. Ich wur­de zum Son­der­ling. Die er­neu­er­te Se­le­na war ei­ne knub­be­li­ge, schlecht an­ge­zo­ge­ne Blon­di­ne.
    Ich starb im
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