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Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Titel: Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands
Autoren: Gisbert Haefs
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nicht, um das Wissen des Greises zu flehen. » Ich war in Pella und habe mit vielen gesprochen. Ich will das Leben des Königs schreiben. Teile habe ich selbst gesehen, über andere Teile gibt es Papyros und die Worte vieler, die dabei waren. Aber manche Dinge… Wer war Alexander wirklich? Was hast du ihn gelehrt? Wo hat sein langer Weg begonnen? Was war sein Ziel? Gab es ein Ziel?«
    Aristoteles lächelte. » Der Weg ist das Ziel. Wenn du genug weißt, um eine Frage richtig zu stellen, dann weißt du auch genug, um selbst die Antwort zu geben.«
    Peukestas kniete noch immer neben der Liege. » Dann hilf mir, die Fragen richtig zu stellen, Aristoteles!«
    » Warum sollte ich? Wegen dieser Stückchen aus bunten Steinen und albernen Metallen?«
    Scheinbar zögernd murmelte Peukestas: » So vieles, was ich nie erfahren werde, Aristoteles. Ich hatte auf dich gehofft. Dein Neffe Kallisthenes hat dir geschrieben, bis er… starb. Ihn kann ich nicht fragen. Parmenion, der große Parmenion ist so lange tot; er hätte vieles gewußt. Und auch mein Vater, der lange dabei war, ist gestorben, ehe ich wußte, was ich ihn fragen sollte…«
    Aristoteles kniff die Augen zusammen. » Dein Vater, eh? Du sagst, du warst Unterführer der Hetairenreiter? Jung wie du bist… Dann hast du vorher zu den Knaben des Königs gehört. Dein Vater muß also einer der Edlen gewesen sein. Oder enger Freund des Königs. Vielleicht seines Vaters Philipp. Hm. Dein Gesicht– es ist da etwas.«
    Peukestas fischte eines der Blütenblätter aus der Schale auf dem Tisch, zeigte die Zähne und kaute auf dem Blatt. Aristoteles begann zu lachen, brach dann in einem würgenden Husten ab.
    » Drakon der Heiler«, keuchte er. » Du Sohn eines alten Freundes.« Er streckte die Hand aus und legte sie einen Moment auf Peukestas’ Kopf. Der junge Makedone schwieg und wartete.
    » Nun ja.« Aristoteles zog die Hand zurück, unter die Decken. » Wer war Alexander? Dazu ist nicht viel zu sagen. Alexander mußte immer wissen, was auf der anderen Seite des Hügels liegt. Dieses gewaltige Sehnen– an den Rand der Welt gehen und darüber hinaus. Aber«– er versuchte sich aufzurichten– » die Welt hat nur einen Rand, nur eine Kante, und diese dunkle Grenze ist der Tod. Tod und Leben sind aber nichts als die beiden Seiten jener einen Münze, die keiner ausgeben, prägen oder begleichen kann.«
    In der Küche klapperte Pythias mit Geschirr. » Das kann doch nicht alles sein«, sagte Peukestas leise. » Ich habe selbst mehr gesehen als dies. Ich will es dir sagen, wenn du magst– erzählen, was ich gesehen habe.«
    Aristoteles zuckte mit den Schultern. » Meine Füße sind eisig«, sagte er, als spräche er über einen belanglosen Gegenstand. » Die Nieren, verstehst du, und das Herz. Ich sterbe von unten nach oben. Vor mir liegt die lange Nacht, in der niemand mehr arbeiten oder reden kann. Mein Leben lang habe ich gelauscht und gefragt, Wissensstückchen gesammelt, nur um jetzt zu begreifen, daß es gleich ist, ob man als Narr oder als Weiser stirbt. Aber… wir könnten trotzdem reden. Besser redend sterben als gar nicht. Oder stumm. Was willst du wissen?«
    » Alles. Über Alexander, über Philipp, über Olympias– über dich, Aristoteles. Hat er dir geschrieben, wer die Macht haben soll? Weißt du, ob wirklich jemand aus Hellas Gift geschickt hat? Hast du jemals…«
    Aristoteles kicherte. » Langsam, Peukestas, langsam. Was am Ende geerntet wird, wurde am Anfang gesät.«
    » Wo ist der Anfang?«
    » Vor der Geburt, wie bei jedem von uns. Ah– Ägypten ist ein guter Beginn für jede gute Lügengeschichte. Die Sterne, und die Lebern von Opfertieren, und die Weissagungen trunkener Priester. Die Lehrer…« Er hustete wieder. » Zuviel, viel zuviel, ehe meine Stimme bricht.«
    » Warum hat Philipp dich gewählt, um Alexander zu lehren? Weil du der größte Philosoph bist?«
    » Den gibt es nicht, Junge. Außerdem war ich damals nur einer von tausend. Aber wir haben uns gekannt, Philipp und ich; mein Vater war der Arzt seines Vaters. Philipp und ich haben als Kinder miteinander gespielt. Und ich bin aus dem Norden, aus Stageira. Mich hat es nie beschäftigt, ob die Makedonen barbarisierte Hellenen sind oder hellenisierte Barbaren; einer der Großen aus Athen wäre vielleicht gar nicht nach Pella gegangen.« Leiser und mit einer kleinen Grimasse setzte er hinzu: » Dann gab es da noch einen politischen Grund… Aber wir sind schon viel zu weit hinten in deiner
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