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Albertas Schatten

Albertas Schatten

Titel: Albertas Schatten
Autoren: Amanda Cross
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gehen willst, dann tu das, mein Kind, und der Herr sei mit dir. Meiner Meinung nach offenbart das jedoch den traurigen Verfall eines edlen Geistes.«
    »In den mittleren Jahren sollte man sich weder zu sehr in altein-gefahrenen Geleisen bewegen, noch kritiklos die Prinzipien seiner Jugend beibehalten. Du selbst hast das gesagt, und es spricht sehr für dich.«

    »Ich hätte nicht gedacht, daß du so etwas heranziehst, wenn es um die Familie geht. Blutsverwandtschaft ist kein Grund für Vertraulichkeit – das galt für Margaret Mead, und das gilt auch für mich.
    Reed, gibt es da irgendeinen Gesichtspunkt, der mir entgangen ist?«
    »Verbindungen zwischen Juraprofessoren und den großen Anwaltskanzleien sind immer vorteilhaft für alle Beteiligten, wenn es darum geht, eine Stelle für einen Studenten zu finden und so weiter.«
    »Das sehe ich ein. Sind diese Verbindungen ohne eine Frau an der Seite nicht herzustellen?«
    »Ginge ich allein, hätte das etwas Demonstratives; kommst du mit, gilt es als selbstverständlich. Außerdem freust du dich doch immer, wenn du Leo und Lillian siehst.«
    »Die beiden kommen zu dieser Juristenfestivität? Herr im Himmel, wie tief sind sie gefallen! Ich weiß, Leo ist Rechtsanwalt, aber erzähl’ mir nur nicht, daß auch Lillian diesen Weg eingeschlagen hat! Ganz bestimmt werden nicht alle meine Nichten und Neffen Anwälte wie meine Brüder.«
    »Alle jungen Akademiker werden da sein. Du hast dich nie wie eine richtige Tante benommen, sonst wüßtest du das.«
    »Reed, ich muß dir ehrlich sagen, daß ich beunruhigt bin. Demnächst wirst du noch Berater einer großen Firma und gibst selbst Parties.«
    »Ich verspreche, daß das nicht der Fall sein wird. Falls diese Party ein Alptraum wird, werde ich nie wieder versuchen, dich zu überreden. Das verspreche ich dir. Es steht also ein Abend gegen eine lebenslange Diskussion über Verpflichtungen gegenüber Blutsver-wandten.«
    »Du solltest in die Juristerei gehen«, sagte Kate. »Du hast ein Gespür dafür.«
    Kate begrüßte ihren Bruder und ihre Schwägerin in angemessener Weise: Sie gestattete ihnen, ihre Wangen an die ihre zu legen.
    Ihre Begrüßung von Leo und Lillian fiel wärmer aus: Umarmung und freudiges Lächeln.
    »Holt mir einen Drink«, befahl Kate in ihrer fröhlichdiktatori-schen Art, »einen Martini natürlich, und dann setzt euch her und erzählt mir, was ihr so gemacht habt.«
    »Es gibt keine Martinis«, sagte Lillian. »Dies ist ein japanisches Fest, und du kannst entweder geeisten Melonenmidori bekommen oder Sake.«
    »Gefolgt von California-Rollen und Sushi; und ich habe vergessen, was sonst noch«, fügte Leo hinzu, bevor sie fragen konnte.
    »Großer Gott«, sagte Kate. »Gut, dann sieh eben zu, ob du mir einen Tomatensaft besorgen kannst. Wenn man Mixgetränke zwei-felhaften Ursprungs und Sprudel meidet, kann es einem passieren, daß man sich bei solchen Gelegenheiten vor einem Glas Wasser wiederfindet, und so weit bin ich noch nicht gesunken. Na ja, wenn alle Stricke reißen, tut es auch Sodawasser.«
    Aber Reed, der das Gefühl hatte, er müßte, nachdem er sie schon hierhergeschleppt hatte, zumindest für ein anständiges Getränk sorgen, hatte einen Scotch für sie und sich selbst aufgetrieben. »Dem Himmel sei Dank«, sagte Kate. »Wenn man vorhat, das Trinken aufzugeben, sollte man es nicht unter einem derartigen Druck tun, meinst du nicht auch?« Reed lächelte ihr dankbar zu. Wenigstens schmollte Kate nie.
    »Was tust du hier, Lillian«, fragte Kate. »Bist du hinter meinem Rücken unter die Yuppies gegangen?«
    Lillian zuckte leicht zusammen. »Ein Yuppie ist jemand, der nach 1950 und vor 1969 geboren ist, in einer Großstadt lebt und mehr als vierzigtausend Dollar im Jahr verdient. Für den letzten Punkt habe ich mich nicht qualifiziert. Ich verdiene dreitausend Dollar im Jahr, wenn ich arbeite, und ich bin hierhergekommen, weil die Familie es befohlen hat, weil Leo hier ist und weil sie gesagt haben, daß du vielleicht kommen würdest; nicht daß ich das geglaubt hätte.«
    »Schauspielerst du noch?« fragte Kate.
    »Das hoffe ich doch. In meinem Beruf ist man entweder Kellne-rin oder in der Textverarbeitung. Ich mache nachts Textverarbeitung für Anwaltskanzleien. Das wird sehr gut bezahlt, und ich habe tags-
    über frei.«
    »Wenn du mich fragst, dann lohnt es sich fast, mit dreitausend Dollar im Jahr so zu leben«, sagte Leo. »Nach der normalen Definition bin ich ein Yuppie; und ich arbeite
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