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Akte X

Titel: Akte X
Autoren: Unruhe
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starrte Schnauz sie nur reglos an. Dann erkannte sie, daß sein Blick nicht direkt auf ihr Gesicht gerichtet war. Er sah noch etwas anderes, wahrscheinlich geisterhafte Gestalten, die ihren Kopf umschwirrten. Sie war sich dessen nicht sicher, doch sie war sich des zwanzig Zentimeter langen Stahlsttfts in seiner Hand nach wie vor mehr als bewußt.
    Als Schnauz das Leukotom wieder auf das Tablett zurücklegte, atmete sie erschöpft aus. Bis zu diesem Augenblick hatte sie noch nicht einmal bemerkt, daß sie die Luft angehalten hatte.
    Schnauz wandte sich um und griff nach einem Gegenstand, der hinter einem der schwarzen Samtvorhänge verborgen war.
    Scully bemerkte, wie nahe die Instrumentenschale ihrer linken Hand war. Wieder zerrte sie an ihrer Fessel und fühlte, daß sie ein wenig nachgab -
    nicht weit genug, um ihre Hand freizugeben, doch es reichte, damit sie ihre Finger nach dem Tablett ausstrecken konnte. Sie berührte die Instrumentenschale. Mit aller Kraft stemmte sie sich gegen das Klebeband und versuchte noch einmal, nach dem Tablett zu greifen. Dieses Mal erreichten ihre Finger das Tablett, doch die Heftigkeit ihrer Bewegung brachte die Spritzen und Medizinampullen zum Klirren. Schnauz wirbelte herum, und sie unterbrach ihre Bemühungen.
    Mit der alten Paßbildkamera, die er aus der Drogerie gestohlen hatte, kam er wieder näher.
    Während er die Kamera betrachtete, versuchte Scully noch einmal, das Leukotom in die Finger zu bekommen. Schnauz blickte auf, erkannte ihre verstohlenen Anstrengungen und schob die Instru-mentenablage wortlos aus ihrer Reichweite.
    Nachdem auch diese winzige Hoffnung verschwunden war, ließ Scully resigniert den Kopf sinken.
    Erst als sie das Ladegeräusch des Blitzgerätes hörte, blickte sie wieder auf. Schnauz richtete die Kamera auf sie. Diese Demonstration mochte ihr einige weitere Minuten bringen, doch sie war davon überzeugt, daß sie ihr nichts nützen würde.
    Er würde lediglich ein weiteres Gedankenfoto seiner kranken Phantasie erhalten, und dieses Foto würde ihm seine persönliche Vorstellung von den Heulern physikalisch bestätigen.

    Verzweifelt sackte Scully noch weiter in sich zusammen.
    Doch dann tat Schnauz etwas vollkommen Überraschendes. Nachdem er ein Foto von seiner Gefangenen gemacht hatte, drehte er die Kamera herum und fotografierte sich selbst.

    14
    Mulder stand in dem von Graffitis übersäten Hausflur des verlassenen Geschäftshauses. Das Licht, das durch das schmutzige Fenster sickerte, reichte aus, ihn die Aufnahme von Scully weiter studieren zu lassen. Sein kurzer Anruf in Washington, mit dem er das FBI von dem Verschwinden seiner Partnerin in Kenntnis gesetzt hatte, war nicht unbeachtet geblieben.
    Schon jetzt war eine Gruppe von FBI-Mitarbeitern vor Ort, und weitere Agenten befanden sich auf dem Weg hierher.
    Die Stimmung in dem Geschäftshaus war gedrückt, und die meisten Polizisten warteten auf Anweisungen. Nur Officer Corning faßte den Mut, sich dem still vor sich hin brütenden Agenten zu nähern. Als er auf Mulder zutrat, konnte Corning hören, wie der FBI-Agent leise Worte murmelte.
    „Sechs Finger, richtig? Warum sind es sechs Finger?“
    Corning hielt eine Fallakte in der Hand und räusperte sich, ehe er zu sprechen begann.
    „Die State Police hat das ganze Gebiet nach Süden bis Grand Rapids kontrolliert“, meldete er.
    „Noch immer keine Spur.“
    Mit einem knappen Nicken gab Mulder zu verstehen, daß er verstanden hatte. Dann nahm er Corning die Akte ab und legte sie auf einen Heizkörper, ohne sie auch nur eines Blicks zu würdigen. Erneut konzentrierte er sich auf das Foto von Scully.
    „Agent Mulder?“ sagte Corning. „Was sollen wir tun?“
    Mulder hatte keine Ahnung, was sie als nächstes tun sollten, und dieses Bewußtsein lastete wie ein tonnenschweres Gewicht auf seinen Schultern.
    „Verdammt“, flüsterte er. Seine Lippen bewegten sich noch weiter, doch er gab keinen Ton mehr von sich. Hinter ihm wippte Corning ungeduldig auf den Absätzen hin und her.
    Angespannt starrte Mulder auf das Foto. Er wollte ihm jeden nur denkbaren Hinweis entlok-ken. Immer wieder fuhr sein Daumen über die sechs geisterhaften Finger in Scullys Haaren. Sie mußten irgend etwas zu bedeuten haben. Jahrelang hatte er das Unbewußte studiert, und dieses Bild war die direkte Verbindung zu Schnauz' verdrehten unbewußten Gedanken. Warum also sechs?
    Würden es sechs Opfer werden? Das variierte lediglich die Fragestellung. Wenn das der Fall
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