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AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN

AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN

Titel: AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN
Autoren: Gerhard Jelinek
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nebenberuflichen Aktivitäten des Osteopathen. Indirekt geben ihm seine Gesprächspartner höflich zu erkennen, dass sie von der außerehelichen Affäre wissen. Profumo reagiert panisch – ein Stelldichein für den nächsten Tag sagt er schriftlich ab –, aber nicht konsequent. Die Affäre dauert noch weitere vier Monate, aber in der Öffentlichkeit beginnt sie erst mit Zeitverzögerung.
    Christine Keeler wird indirekt in eine Messerstecherei zweier ihrer Geliebten aus der Karibik verwickelt. Beide Herren glauben, Besitzansprüche an das „Callgirl“ stellen zu können. Wenig später versucht einer der beiden in Stephen Wards Wohnung einzudringen, wo sich Christine verschanzt hat. Bei einer Rauferei fällt ein Schuss. Es kommt zu polizeilichen Erhebungen, und es droht ein Strafprozess. Keeler erzählt der Polizei Lügengeschichten und muss später wegen Meineids für neun Monate hinter Gitter. Christine hat Angst, als Zeugin vor Gericht aussagen zu müssen. Sie plaudert aufgeregt auf Partys herum, erzählt ihre amourösen Abenteuer, Journalisten bekommen Wind von der Geschichte. Die Boulevard-Haie wittern eine Sensations-Story. Der Name des konservativen Politikers Profumo fällt. Gerüchte kursieren. Christine Keeler will Geld verdienen, für ihre Verhältnisse viel Geld. Um tausend Pfund kauft das Tratsch-Blatt „Sunday Pictorial“ die Sensationsgeschichte.
    Doch die Zeitungen halten noch dicht. Erst eineinhalb Jahre nach der Affäre erzählte der oppositionelle Labour-Abgeordnete George Wigg kurz vor Mitternacht im Unterhaus, ein konservativer Minister habe eine außereheliche Beziehung mit einer „Miss Christine Keeler“ gehabt.
    Premierminister Harold Macmillan lässt seinen Parteifreund John Profumo mitten in der Nacht aus dem Ehebett holen. Vor fünf führenden konservativen Parteifreunden lügt der Minister. Er leugnet ein sexuelles Verhältnis zum Callgirl. Auch am nächsten Tag bleibt Profumo bei dieser Darstellung. In einer offiziellen Erklärung im Parlament räumt er ein, Frau Keeler zu kennen, aber „nichts Ungebührliches“ getan zu haben.
    Die Affäre hätte er politisch überlebt, die Lüge im Unterhaus nicht. Jetzt sind die Dämme gebrochen. Die britischen Blätter berichten in dicken Schlagzeilen über die pikante Angelegenheit. Profumo muss dem Regierungschef seinen Rücktritt anbieten: „In meiner Erklärung habe ich versichert, dass nichts Unanständiges an dieser Beziehung war. Zu meinem sehr tiefen Bedauern muss ich gestehen, dass dies nicht wahr war und ich Sie und meine Kollegen im Parlament belogen habe.“
    Harold Macmillan war schockiert. Er nannte den Rücktritt eine „große Tragödie für Sie, Ihre Familie und Ihre Freunde“. Die konservative Regierung war in den Grundfesten erschüttert. Die Affäre Profumo hatte die doppelten moralischen Standards der herrschenden Schichten aufgedeckt. In einem offiziellen Untersuchungsbericht, für den Lord Alfred Denning mehr als 160 Zeugen befragte, konnte der Verdacht des Geheimnisverrats nicht bestätigt werden.
    Doch Premierminister Macmillan zog dennoch Konsequenzen. Er trat zurück. Über die Affäre Keeler war nicht nur der Kriegsminister, sondern Großbritanniens Regierung gestolpert. Für den Modearzt Dr. Stephen Ward endete der Skandal tödlich. Ward wurde wegen Organisation eines Callgirl-Rings inhaftiert. Er verübte kurz vor dem Gerichtstermin Selbstmord. John Profumo selbst verlor zwar sein Ministeramt, aber seine Ehefrau verzieh ihm die Eskapade. Auch weil der untreue Ehemann unbeirrt weiter leugnete. Sein Sohn David Profumo erinnert sich in einem Interview für den „Spiegel“, dass sein Vater Frau Keeler als „ziemlich hübsches Mädchen, das anscheinend gern Geschlechtsverkehr hatte“ beschrieb. Sein Vater habe den Gedanken nicht ertragen können, seine Frau zu verlieren und deshalb ihr gegenüber stets „geradezu unverfroren jede unsittliche Beziehung zu Miss Keeler“ geleugnet.
    Christine Keeler nutzte ihre Rolle als weltweit bekannte Skandalfrau für Eigen-PR. Sie wird zum Sexsymbol ihrer Zeit. Viele Berühmtheiten sehen in ihr eine Trophäe ihrer sexuellen Jagdlust. Auch Beatles-Schlagzeuger Ringo Starr lernte Christine Keeler näher kennen. Auf dem Höhepunkt der Profumo-Affäre stand – eigentlich saß – Keeler dem Fotografen Lewis Morley Modell. Das bekannteste Bild der Fotosession wurde zu einer Ikone der Sechzigerjahre. Der Fotograf Morley lichtete die nackte Keeler auf einem Holzstuhl des Designers
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