Aerzte zum verlieben Band 55
keiner checkte Mails oder SMS am Handy. Die meisten saÃen vornübergebeugt da, um ja kein Wort zu verpassen.
Bald darauf kam Tom zum Schluss, und Hayley verspürte eine leichte Enttäuschung. Sie hätte ihm viel länger zuhören können. Aber er gewährte seinen Zuhörern noch eine Viertelstunde, in der sie Fragen stellen konnten, und beendete dann die Veranstaltung.
Die meisten verlieÃen den Saal sofort, manche zögerten merklich, als wollten sie noch mit Tom sprechen. Aber sie verschwanden wie die anderen, leicht verlegen und mit mitfühlender Miene. Was sollten sie auch zu jemandem sagen, dessen vielversprechende Karriere von einem Tag auf den anderen beendet worden war?
Finn Kennedy wechselte auf seine knappe Art ein paar Worte mit ihm, verzog sich jedoch schnell, als Evie und Theo auf Tom zukamen. Sie begrüÃten ihn herzlich und unterhielten sich eine Weile mit ihm. Als sie gegangen waren, kamen zwei Männer vorbei, die anscheinend nicht merkten, dass sie noch in Hörweite waren.
âWas für ein Jammerâ, sagte der eine. âEr war der Beste, und jetzt â¦â
Hayley sah, wie Toms breite Schultern steif wurden.
Er hat ihn gehört, dachte sie bestürzt.
Um der gedankenlosen Bemerkung den Stachel zu nehmen, sagte sie spontan: âDas war ein beeindruckender Vortrag!â
Es kam lauter heraus, als sie beabsichtigt hatte.
Tom zuckte zusammen und wandte sich ihr zu. Sein Gesicht wirkte wie aus Stein gemeiÃelt. âIch bin blind, Hayley, aber nicht taub.â
âIch weiÃ, ich wollte nur â¦â Sie schwieg. Er wird nicht hören wollen, dass du dieses verrückte Bedürfnis verspürst, ihn zu trösten, dachte sie. AuÃerdem hat er kein Problem damit, auf deinen Gefühlen herumzutrampeln. âIch war in England, als ich von der Operation erfuhr. Mir war nicht klar, dass Sie das Team geleitet haben.â
âJetzt wissen Sie es.â Er drehte sich um und klappte seinen Laptop zu.
Immer noch unter dem Eindruck der groÃartigen Vorlesung, antwortete sie fast ehrfürchtig: âEs muss ein unglaubliches Gefühl gewesen sein, als Ihnen klar war, dass Sie es geschafft haben.â
âEs ist etwas, das man nicht mehr vergisst.â
âIch wünschte, ich hätte Ihnen beim Operieren zusehen können.â
âDamit ist es endgültig vorbeiâ, sagte er tonlos.
âEntschuldigung, ich wollte Sie nicht daran erinnern, dass â¦â Beschämt verstummte sie.
âDass ich nicht mehr operieren kann, wollten Sie sagen? Wie auÃerordentlich einfühlsam und taktvoll Sie doch sind, Hayley.â
Die bissige Antwort lieà sie zusammenzucken. Hayley straffte die Schultern. âLassen Sie mich noch einmal von vorn anfangen. Ich wollte sagen, dass Ihr Vortrag der beste war, den ich je gehört habe. Wirklich.â Sie lächelte. âUnd glauben Sie mir, ich habe in den letzten zehn Jahren viele todlangweilige Vorlesungen über mich ergehen lassen müssen. Sie sind ein toller Redner. Hier im Harbour können sie froh sein, dass sie Sie haben.â
Er hängte sich die Laptoptasche um. âAlso wirklich, jetzt machen Sie mich aber verlegen.â
Der eisige Tonfall jedoch strafte seine Worte Lügen. Tom lieà seinen Stock vorschnellen, und Hayley musste zur Seite springen, um nicht getroffen zu werden.
âEs ehrt mich sehr, dass Sie mich für einen tollen Redner haltenâ, fuhr er zynisch fort. âImmerhin habe ich darauf die letzten zwanzig Jahre meines Lebens hingearbeitet. Vergessen wir die Neurochirurgie. Vergessen wir, dass ich Leben gerettet und Menschen von Schmerzen befreit habe. Was ist das schon im Vergleich dazu, ein toller Redner zu sein?â Er ging los.
Seine Worte waren wie schallende Ohrfeigen. Was bildete er sich ein? Als wäre er der Einzige, dem das Schicksal böse mitgespielt hatte! Hayley wusste nur zu gut, was es bedeutete, etwas Kostbares zu verlieren. Leid, das kaum zu ertragen war â und das Leben ging trotzdem weiter.
âWaren Sie, bevor Sie erblindet sind, auch so rüde?â
Tom Jordan blieb stehen. âIch war Neurochirurg!â Wie ein Aufschrei hallte die Antwort in dem nun leeren Vortragssaal wider.
âDas heiÃt also Ja.â
Er schwieg einen Moment. âRein aus Neugier, Hayleyâ, sagte er dann. âSind Sie neu am Harbour, weil man Ihnen an Ihrem letzten Arbeitsplatz nahegelegt
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