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Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)

Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)

Titel: Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
Autoren: Simone Knodel
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wärmere Jahreszeit bestimmt war. Außerdem stand jedem ein Skapulier zu, eine Stoffbahn, die vorn und hinten am Körper herunterhing und mit Bändern zum Hochschürzen der Tunika versehen war. Jeder Mönch besaß überdies Fußlappen und einfache, geschlossene Schuhe für den Winter, im Sommer trug er Sandalen. Das Mutterkloster hatte darüber hinaus Bettzeug, Essgeschirr, einen Gürtel und eine Schreibtafel mit Griffel für jeden zur Verfügung gestellt. Bruder Bernhard als Vorsteher des provisorischen Klosters war zusätzlich Besitzer von Pergamentrollen, Feder und Tinte.
    Eine solche Rolle brachte er jetzt zum Vorschein und kam freudestrahlend auf Helisende zu. Unter dem Schein der Lampe öffnete er das Pergament und sie riss erstaunt die Augen auf. Mit kräftigen und klaren Federstrichen war das Gelände um Walkenried gezeichnet, im Hintergrund das Dorf, vor dem sich deutlich die rechtwinklig ausgerichteten neuen Hütten abzeichneten. Im Vordergrund jedoch sah sie etwa ein Dutzend gebückte Gestalten in hochgeschürzten Kutten, die mit Hacken und Schaufeln Gräben zogen. Zwar waren die Brüder noch angestrengt bei der Arbeit, doch hatte der Zeichner geschickt der Zeit vorausgegriffen und das Wehr mit den Fischteichen bereits vollständig skizziert. Es brauchte nicht mehr viel Phantasie, um sich nun auch noch bestellte Felder und blühende Obstbäume auf den Wiesen vorzustellen.
    Helisende stutzte plötzlich und beugte sich tiefer über das Pergament. Im Hintergrund, östlich des provisorischen Klosters, erkannte sie weitere besonders feine Federstriche, so zart, dass sie fast an eine Täuschung geglaubt hätte. Sie fügten sich zu einer mächtigen Kirche mit einem vollkommen geraden Seitenschiff, die zum Himmel emporwuchs und sich als Gebilde der Phantasie am oberen Rand der Schriftrolle in den Wolken verlor.
    Tief atmend blickte sie Bernhard an. „Habt Ihr das gezeichnet?“
    Er nickte stumm, ohne ihre Augen loszulassen.
    „Es ist … wie Zauberei!“
    „Nein, so etwas dürft Ihr nicht sagen! Es ist Gottes Wille. Er führte meine Hand. Nehmt die Rolle und bringt sie Eurer Mutter. Sie wird gesund werden!“
    Er rollte das Papier mit beinahe zärtlichen Bewegungen zusammen, verschnürte es sorgfältig und schob es in eine lederne Schutzhülle. Bei der Übergabe berührten sich ihre Hände und sie erstarrten in der Bewegung. Nie zuvor waren sie sich so nah gewesen und Helisende hatte das Gefühl, als würden sich die Pforten des Paradieses auftun und sie würden gemeinsam einfach hineingehen. Nichts anderes wollte sie, als nur diesen Augenblick für immer festhalten.
    Bernhard betrachtete das Gesicht der Frau, die er nicht lieben durfte, obwohl es längst zu spät war. Über ihrer rechten Augenbraue war eine kleine Narbe von dem Unfall im Wald zurück geblieben, doch sie störte nicht die Reinheit ihres Anblickes. Ihre Blicke saugten sich aneinander fest und die Zeit schien stehen zu bleiben.
    Ein Geräusch an der Tür ließ sie zusammenfahren. Einer der Reiter ihres Trupps steckte den Kopf herein.
    „Jungfer Helisende, wir sind fertig mit dem Abladen der Pferde.“
    „Ich komme, wir können sofort zurückreiten.“ Es klang nach Flucht. Bernhard unterschrieb mit geschäftigem Blick eine Quittung, auf der alle gelieferten Güter aufgelistet waren. Er hatte sie nicht überprüft.
    Sie bedankte sich für die Rolle und saß mit zitternden Knien auf, dann winkte sie noch einmal ohne sich umzudrehen und spornte ihr Pferd zum Galopp an. Ihre Begleiter mit den Packpferden am Zügel hatten Mühe, ihr zu folgen. Wie vom Teufel gejagt, flog sie über die Landschaft. Mit schaumbedeckten und völlig erschöpften Tieren kamen sie nach nur einer Stunde auf Lare an.
    Helisende lief sofort zum Krankenlager ihrer Mutter. Magdalena, die Adelheid gerade gefüttert hatte, schaute das zerzauste und abgehetzte Mädchen verwundert an, strich sich eine silbergraue Haarsträhne aus dem Gesicht und schwieg zunächst. Sorgfältig tupfte sie der Kranken die feuchte Stirn ab. Helisende zog sich einen Hocker heran und legte die Rolle in den Schoß der Kranken.
    „Mutter, Ihr müsst endlich aufwachen! Ich habe Euren Traum, eingefangen auf diesem Pergament. Ihr solltet ihn Euch ansehen!“ Da sie von dem Ritt noch immer außer Atem war, klang ihre Stimme abgehackt und hektisch, was ihre spontane Bitte wie einen Befehl klingen ließ.
    Magdalena runzelte die Stirn und hielt in ihrer Arbeit inne. „Meinst du wirklich, Helisende, deine Mutter
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